Materialistische Bibellektüre
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Die materialistische Bibellektüre ist eine Form der biblischen Exegese, die biblische Texte auf dem Hintergrund ihrer ökonomischen, politischen, sozialen und religiösen Einbettungen, und im historischen Zusammenhang von konkreten Machtauseinandersetzungen wahrnimmt und interpretiert.[1]
Sie entwickelte sich in Deutschland in den 1970er Jahren in verschiedenen Evangelischen Studentengemeinden und in Gruppen der Organisation Christen für den Sozialismus. Inspirierend war George Casalis als Lehrer an der Berliner Kirchlichen Hochschule und späterer Beteiligter an den Pariser Aufständen vom Mai 1968. Grundlegend waren Schriften von Fernando Belo[2] und Michel Clévenot.[3]
Der Begriff materialistisch verweist auf die Betonung der oben genannten Aspekte in den Entstehungs- und Wirklichkeitszusammenhänge biblischer Texte im Kontrast zu aus dieser Sicht idealistischen Exegeseverfahren, etwa der existenzialistischen Exegese (Rudolf Bultmann). Die materialistische Bibellektüre bezieht ihr theoretisches Vorverständnis aus dem Bezug auf gesellschaftstheoretische Schriften von Karl Marx, den historischen Materialismus und Louis Althusser, sowie sprachtheoretische Ansätze etwa von Julia Kristeva und Roland Barthes.
Die historisch-materialistische Methode wurde anfangs in der Kirchengeschichte angewandt.[Anm 1] Es folgten entsprechende Lektüren der Evangelien, alttestamentlicher Texte und neuerdings solcher zu frühchristlichen Gruppierungen.