Maximilian von Montgelas
Minister unter dem späteren König Maximilian I. von Bayern / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Maximilian Carl Joseph Franz de Paula Hieronymus Freiherr von Montgelas, ab 1809 Graf von Montgelas (* 12. September 1759 in München; † 14. Juni 1838 ebenda; Aussprache [mõʒəˈla], bairisch „montschelas“), war ein bayerischer Politiker und Staatsreformer des 19. Jahrhunderts. Er war von 1799 bis 1817 Minister des Äußern unter dem Kurfürsten und späteren König von Bayern Maximilian I.
Montgelas war ausgebildeter Jurist und Historiker. Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag auf den Gebieten der Außen- und Innenpolitik, aber sein Betätigungsfeld umfasste bis auf das Militärwesen alle Bereiche der Politik. Beeinflusst von Aufklärung und Französischer Revolution und als erklärter bayerischer Patriot, konzipierte er zwischen 1777 und 1799 Pläne für eine weitreichende Modernisierung der Verwaltung und Politik Bayerns, die er als Minister großteils umsetzte.
Unter Montgelas’ Regierungsverantwortung in Bayern fallen die radikale Durchführung der Säkularisation, die Gleichstellung der christlichen Konfessionen, eine tiefgreifende Reform der öffentlichen Verwaltung, des öffentlichen Finanz- und Steuerwesens und der Rechtspflege, der zweimalige Bündniswechsel hin zu und weg von Napoleon Bonaparte und eine damit einhergehende beträchtliche Erweiterung des bayerischen Staatsgebiets, woraus der seither existierende Flächenstaat Bayern hervorging. Das „System Montgelas“ war durch einen starken Hang zum Zentralismus geprägt.
Abstriche machte der Aufklärer von seinen frühen Plänen bei der Gleichstellung aller Bürger, der Abschaffung der Privilegien des Adels, der Errichtung einer konstitutionellen Monarchie und bei der Einführung eines modernen Zivilrechts.
Ausbildung
Als Angehöriger der Familie Montgelas wurde Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas am 12. September 1759 in München geboren, er war nach seiner Schwester Josepha das zweite Kind des bayerischen Generalmajors Janus Freiherrn von Montgelas.[1] Väterlicherseits entstammte die Familie Montgelas savoyardischem Landadel.[2] Die Mutter Ursula, geb. Gräfin Trauner, starb ein halbes Jahr nach seiner Geburt. Die frühe Kindheit verbrachte er viel bei seiner Großmutter mütterlicherseits in Freising. 1767 verstarb sein Vater. Die Versorgung der beiden Vollwaisen ermöglichten neben dem väterlichen Vermögen Verwandte und Paten wie der bayerische Kurfürst Max III. Joseph, dem Montgelas seine Taufnamen verdankte.
Von 1764 bis 1770 besuchte Montgelas das Kolleg in Nancy im Herzogtum Lothringen, das 1766 gemäß dem Frieden von Wien (1738) an Frankreich fiel. Er erlebte dort die Übergangszeit nach der Aufhebung des Jesuitenordens in Frankreich 1764 mit. Mit dem Wandel vom lateinischen Jesuitenkolleg zu einer Lehranstalt mit einem Lehrerkollegium aus Weltgeistlichen und gelehrten Ordensbrüdern ab 1768 zogen auch praktische Fächer wie Sprachen, neuere Geschichte und Geographie in den Unterricht ein.
Von 1770 bis 1776 schloss sich ein Studium der Jurisprudenz an der Universität Straßburg an. Dort hörte Montgelas unter anderem bei Christoph Wilhelm Koch Vorlesungen zu Staatsrecht und Geschichte. Koch war bestrebt, neben der Erforschung der Vergangenheit auch Erfahrungen für zukünftige Staatsmänner zu vermitteln. Montgelas blieb ihm später in lockerer Korrespondenz verbunden. Etwa ein Jahr lang vervollständigte Montgelas anschließend seine Kenntnisse mit Studien zum bayerischen Recht in München und an der Universität Ingolstadt, wo er 1777 ein Diplom „mit außerordentlichem Lob“ erhielt.
Frühes Wirken
Im selben Jahr trat er als Hofrat in den Dienst des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph und behielt diese unbezahlte Stellung nach dessen Tod unter dem Nachfolger Karl II. Theodor. Er war Mitglied der Freimaurerloge St Théodore du Bon Conseil in München,[3] 1785 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im selben Jahr führte die Aufdeckung seiner Mitgliedschaft im Illuminatenorden zu zunehmenden Konflikten mit seinem Dienstherrn.
Deshalb entschloss sich Montgelas 1787, bei Karl Theodor um seine Entlassung nachzusuchen und trat nach deren Genehmigung unverzüglich in den Dienst des Wittelsbacher Herzogs von Pfalz-Zweibrücken Karl II. August. Die Zweibrückener Linie des Hauses Wittelsbach bereitete sich damals bereits auf ihr voraussichtliches Erbe von Pfalzbayern nach dem Tod des ohne Thronfolger gebliebenen Karl Theodor vor. Vergeblich versuchte der Kurfürst Montgelas der Beihilfe zum Mord an Karl Augusts Sohn zu bezichtigen. Doch waren diese Anschuldigungen undurchsichtig und widersprüchlich und Montgelas erwarb das Vertrauen seines neuen Vorgesetzten Ludwig Freiherr von Esebeck. In Zweibrücken war Montgelas bis 1793 außenpolitisch tätig und an der regen Kommunikation des Herzogtums mit seinen Anhängern in Bayern federführend beteiligt.
Aus zum Teil sehr persönlichen Briefen an Maximilian Josef Graf von Seinsheim, ab 1787 auf Montgelas’ Empfehlung Zweibrückener Gesandter am Reichstag in Regensburg, erfahren wir von reger Teilnahme am gesellschaftlichen Leben des Hofes, Reisen, Damenbekanntschaften und der Suche nach (begüterten) Heiratskandidatinnen. Bei seiner ersten größeren außenpolitischen Mission, den Wahlkapitulationsverhandlungen in Frankfurt 1790 vor der Wahl Leopolds II. zum deutschen König und römischen Kaiser, arbeitete Montgelas zum ersten Mal enger mit Prinz Max Joseph zusammen, dem jüngeren Bruder Karl Augusts, der später sein Kurfürst und König in Bayern werden sollte.
Im Juli 1793 schlug sich Montgelas zwischen französischen und preußischen Truppen von Zweibrücken nach Mannheim durch, wo er jedoch auf Betreiben von Esebecks Nachfolger Abbé Pierre de Salabert, politisch ausgeschaltet wurde. Salabert war Max Josephs Erzieher und hat ihn später – allerdings ohne politische Funktion – auch nach München begleitet, wo er zuletzt bis zu seinem Tod 1807 das Prinz-Carl-Palais bewohnte. Montgelas' Rückkehr nach Zweibrücken verhinderten die Besetzung und Verwüstung durch die Franzosen. Bis zum Tod Karl Augusts 1795 war er ohne offizielle politische Funktion und Bezahlung, da man ihn bei Hof des Jakobinismus beschuldigte. Im Lauf des nächsten Jahres stieg er unter dem Nachfolger Max Joseph zu dessen wichtigstem politischen Berater auf. Er wurde zum Kopf der Opposition innerhalb Bayerns und des Zweibrückener Hofs gegen den Österreich völlig ergebenen Karl Theodor.
Minister in Bayern
1799 nach dem Tod Karl Theodors und dem Amtsantritt Max IV. Josephs als Kurfürst in München wurde er von diesem zum Außenminister Bayerns ernannt. Bald war seine Position und Kompetenz so herausragend, dass Montgelas nach modernen Begriffen eher die Funktion eines Ministerpräsidenten ausübte. Ausschlaggebend dafür dürfte gewesen sein, dass er in seiner Zweibrückener Zeit tragfähige theoretische Konzepte für die Reform Bayerns entwickelt hatte und ein horrendes Arbeitspensum schnell und effizient zu bewältigen vermochte. Außer in Staatsgeschäften mied Montgelas nun den Hof und das Hofleben, gab jedoch selber, phasenweise fast täglich, Empfänge, wobei er als Gäste Diplomaten, Beamte, Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler bevorzugte.
Vor den französischen Truppen unter Jean-Victor Moreau floh Montgelas zusammen mit dem Hof Mitte 1800 über Landshut und Amberg ins preußische Bayreuth und kehrte erst nach dem Rückzug Moreaus aus Bayern im Frühjahr 1801 nach München zurück. Zunächst hatte er Wohn- und Diensträume in der Münchner Residenz inne, bis er nach seiner Verheiratung 1803 mit der 20 Jahre jüngeren, attraktiven Ernestine Gräfin von Arco in das Palais einzog, das nicht nur bis 1817 seine Stadtwohnung war, sondern gleichzeitig (und auch noch über 1817 hinaus) das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Es wurde von Montgelas zwischen 1811 und 1813, wesentlich erweitert, neu gebaut und trägt inzwischen den Namen Palais Montgelas. Es ist heute Teil des Luxushotels Bayerischer Hof am Promenadeplatz.
Ebenfalls 1803 erwarb Montgelas einen Landsitz in Bogenhausen, den er als Sommerresidenz nutzte. Er veranlasste dort mit der Bogenhausener Brücke den Bau der zweiten Münchener Brücke über die Isar am Ort der späteren Max-Joseph-Brücke. Im September 1805 floh der Hof mit Montgelas erneut – diesmal vor den österreichischen Truppen, die in Bayern einmarschierten – und zwar nach Würzburg, wo sowohl er als auch der Kurfürst Max IV. Joseph das Juliusspital[4] besuchten. Montgelas kehrte im Dezember 1805 nach München zurück, als Bayerns Bündnis mit Frankreich öffentlich geworden war und Napoleon gegen Österreich und Russland gesiegt hatte.
Ende 1809 wurde Montgelas vom Freiherren- in den Grafenstand erhoben. In seinem Privatleben galt der wohlhabend gewordene Montgelas als Mann von Noblesse, der auch die amourösen Abenteuer seiner Ehefrau mit Haltung hinnahm. Ab 1810 nahm der politische Widerstand gegen Montgelas unter Führung des Kronprinzen Ludwig stetig zu. Während eines längeren diplomatischen Aufenthalts in Paris kam es zu ersten konkreten Versuchen, Max Joseph zur Entlassung Montgelas’ zu bewegen.
Nach der Entlassung
Nach seiner Entlassung 1817 erbaute Montgelas ein neues Stadtpalais am Karolinenplatz, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Montgelas hat ab 1807 verschiedene Landgüter erworben und wieder veräußert und sich dabei als erfolgreicher Geschäftsmann erwiesen. 1833 erstand er die zum Teil heute noch (Stand 2010) im Besitz der Familie Montgelas befindlichen ehemaligen Hofmarken Egglkofen, Aham und Gerzen.
Privatbibliothek
Montgelas hat eine über 13.000 Bände umfassende, in der Bayerischen Staatsbibliothek erhaltene Bibliothek aufgebaut, die einen Einblick in seine persönlichen Interessengebiete gewährt. Literarisch dominieren antike Klassiker, Werke der französischen und deutschen Aufklärung und ältere englische Dichter; Schiller und Goethe sind nur durch späte Gesamtausgaben vertreten. Aufgrund seines Studiums und seiner Tätigkeiten finden sich naturgemäß reiche Bestände an Geschichtswerken und zu juristischen Themen, aber auch religiöse Literatur und naturwissenschaftliche Arbeiten.
Rückzug ins Privatleben
Der Tod seiner Frau 1820 an Tuberkulose hat Montgelas tief getroffen, obwohl die Ehe nicht frei von Meinungsverschiedenheiten geblieben war. Danach zog er sich von öffentlichen Auftritten fast vollständig zurück und widmete sich persönlich der Erziehung seiner acht Kinder.
Krankheit und Tod
Er litt in seinen letzten Lebensjahren an chronischen Erkältungen, Gicht, Koliken und Ischias. Am 14. Juni 1838 starb Montgelas im Alter von 78 Jahren, gegen viertel zwei Uhr Nachts mit den Sterbesakramenten versehen, in seinem Stadtpalais in München, die Aussegnung war am 16. Juni 1838. Er wurde in der Gruft der Kapelle von Schloss Aham beigesetzt.[5]
Familie
Maximilian von Montgelas war mit Ernestine von Arco (1779–1820), Tochter von Graf Ignatz von Arco (1741–1812) verheiratet. Das Paar hatte folgende Kinder:
- Caroline Auguste Franzisca (1804–1860) ⚭ Freiherr Max von Freyberg, Ministerialrat Vorstand des Reichsarchives
- Maximilian (1807–1870) ⚭ Elisabeth J. Watts-Russel
- Maria Rupertine Ernestine (1808–1822)
- Maria Amalia (1810–1875)
- Maria Hortensia (1811–1895)
- Theresia (1812–1872)
- Ludwig (1814–1892), Bayerischer Gesandter in St. Petersburg und Berlin
- Heinrich Rudolf Max Eduard (1817–1847)
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war die Hochzeit der Aufklärung erreicht, die damals neben weiten Kreisen der gebildeten Bevölkerung auch viele regierende Fürsten und die christlichen Kirchen maßgeblich beeinflusste. Viele aufklärerische Prinzipien waren jedoch noch weit von einer Umsetzung in die Alltagspraxis entfernt. Die Umsetzung aufklärerischer Ideale voranzubringen, war eine der Maximen, die Montgelas’ Wirken für Jahrzehnte entscheidend prägte.
Der Aufklärer erachtete Grenzen der Staatsmacht wie Gewissensfreiheit (Religionsfreiheit) und das Anrecht auf Schutz der privaten Rechtssphäre jedes einzelnen Bürgers für unabdinglich.[6] Er dachte sich den Ausgang der staatlichen Gewalt aus Interessenzusammenschlüssen von Familien, später der Gesamtheit der Nation und wendete sich entschieden gegen das absolutistische Gottesgnadentum,[7] worin er John Locke und Jean-Jacques Rousseau nahestand.
„Das Werk des aufgeklärten Absolutismus […] zeigten, was damals an Umstürzendem erreicht werden konnte, wenn ein Monarch oder ein durch seinen Fürsten gestützter Minister grundlegende Reformen in Angriff nahm.“[8]
Daneben schwärmte er kurze Zeit für die Freiheit der alten Germanen.[9] Im Zentrum seines politischen Credo standen von Anfang an die Rechte der Fürsten gegenüber der römisch-katholischen Kirche, die er in organisatorischen und weltlichen Fragen der Staatssouveränität völlig unterordnete.[6] Die Umsetzung seiner Reformpläne lag in den Händen von örtlichen Verwaltungsbeamten und Richtern wie dem Freiherrn Joseph von Widnmann, die mit den Problemen der Landbevölkerung vertraut waren.
Montgelas verschaffte sich unermüdlich Detailinformationen zu Vorgängen und Rechtsverhältnissen, die Bayern betrafen und entwickelte daraus Konzepte für konkrete Maßnahmen, die nach einer Regierungsübernahme zur Verbesserung der Verhältnisse ergriffen werden konnten.[10] Aufmerksam beobachtet er auch die bayerische Landschaft (die Gesamtheit der Landstände) und sammelte detailbesessen alle historischen Akten zu ihrem rechtlichen Status.
„Die besonderen lokalen Bedingungen kennen, die Menschen aufgrund dieser Kenntnis beurteilen und seine eigenen (geplanten) Operationen nach diesen Bedingungen modifizieren – dies ist nach meiner Meinung die wahre Politik und das Meisterstück der Verwaltung.“[11]
Betrachtete er die Landschaft anfangs als willkommene Bundesgenossen gegen Karl Theodor im Kampf um die territoriale Erhaltung Bayerns[12], so wandelte sich diese Einstellung um die Zeit der Französischen Revolution 1789, da er nun in ihnen vor allem ein Hindernis für die Staatssouveränität sah.[13]
Als Hofrat in München wirkte Montgelas in folgenden Aufgabenbereichen: im Kriminalsenat (oberstes Gericht für Straf- und Zivilangelegenheiten), bei den Finanzen, beim Staatskirchenrecht und ab 1780 im Bücherzensurkollegium.[14] Letzteres verfocht aufklärerische Tendenzen und verfolgte antiaufklärerische und revolutionäre Schriften. Er verfertigte einen Entwurf für neue Instruktionen für das Zensurwesen in Bayern, der allerdings folgenlos blieb. Besondere Aufmerksamkeit widmete er auch darin den historischen Kirchenhoheitsrechten des Hauses Wittelsbach gegenüber der römisch-katholischen Kirche.[15]
In Zweibrückener Dienste wurde Montgelas noch kurz vor dessen Tod von Johann Christian von Hofenfels aufgenommen. Dort oblag ihm unter Hofenfels’ Nachfolger, dem Minister Ludwig Freiherr von Esebeck, und neben Anton Freiherr von Cetto zwischen 1787 und 1792 die außenpolitische Zuständigkeit für Berlin, München und Regensburg. Er beschäftigte sich weiter mit der Sammlung von Unterlagen über die bayerische Verwaltung und Rechtsansprüche Bayerns, seine Finanzen und Wirtschaft. Sein besonderes Bemühen galt der Pflege von Kontakten zu Unterstützern des Hauses Zweibrücken in Bayern. Die besondere politische Rolle des kleinen Herzogtums (knapp 100.000 Einwohner) ergab sich aus dem im Wittelsbacher Hausvertrag festgelegten agnatischen Konsens, der die Zustimmung aller wittelsbacher Linien zu Entscheidungen wie Staatsschuldenaufnahme und Gebietsveränderungen erforderte und die wechselseitige Erbfolge regelte. Dies bescherte dem unbedeutenden Herzogtum ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit, das Montgelas für seine Heimat Bayern zu nutzen versuchte:
„Verhinderung aller österreichischen Absichten auf Bayern, aller eventuellen Tauschwünsche Karl Theodors, dagegen Neutralitätspolitik in Anlehnung an Preußen und den Fürstenbund und – bis in die Anfänge der Revolution hinein – auch an Frankreich.“[16]
Im Umgang mit seinem direkten Zweibrückener Vorgesetzten Esebeck entwickelte Montgelas sein Gespür für die Behandlung adliger Potentaten:
„Man muss der Empfindlichkeit der Leute in höheren Stellungen in den geringfügigen Dingen Rechnung tragen. Dies verleiht manchmal das Recht, ihnen wichtige Wahrheiten in den großen Angelegenheiten offen zu sagen. Das ist mein Grundsatz, dem ich stets gefolgt bin und mit dem ich bisher gut gefahren bin.“[17]
Spätestens nachdem durch den Druck der aufgefundenen Ordenspapiere in München die Absichten Adam Weishaupts mit den Illuminaten öffentlich bekannt wurden, distanzierte sich Montgelas wie viele ehemalige Mitglieder endgültig und vollständig von dem Orden, hielt aber Kontakte zu ehemaligen Illuminaten aufrecht, wenn er von deren menschlichem Wert überzeugt war.
„Das Wohl des pfälzischen Hauses, das meines Vaterlandes, der wohlverstandene Dienst an meinem Meister [frz. ‘mon maître‘ als Ausdruck für den Dienstherren] wird mich stets beschäftigen. Dies ist der beherrschende Ruf meines Herzens: ein Gefühl, das sich niemals ändern wird und das aufzugeben mich weder die Bosheit noch die Verleumdung, die ich von vielen meiner Landsleute erfahre, jemals werden veranlassen können.“[18]
Preußen verblieb in den unruhigen ersten Jahren der Französischen Revolution als der verlässlichste Verbündete (bis etwa 1793). Versuche auf die Münchener Politik im Sinne der bayerischen Interessen Einfluss zu nehmen blieben vergeblich.
Seinen ersten Auftritt auf der außenpolitischen Bühne hatte Montgelas bei den Wahlkapitulationsverhandlungen nach dem Tod Josephs II. 1790. Dabei „hat Montgelas stets das ganze der europäischen Politik im Auge, von Frankreich bis Russland, von Schweden bis zur Türkei“[19], auch wenn er taktisch bayerische Ziele wie den Verzicht Österreichs auf die Landeshoheit über die böhmischen Lehen in der Oberpfalz verfolgte. Mit Unterstützung Preußens erreichte er die Verhinderung aller zukünftigen Tauschpläne Bayern betreffend und die Sanktionierung der wittelsbachischen Hausverträge durch Anerkennung des Friedens von Teschen, der den bayerischen Erbfolgekrieg beendet hatte. Gemeinsam mit Preußen unterbreitete er auch Vorschläge zur Mediatisierung der Reichsritterschaft.
Neben der Aufklärung war die wichtigste prägende Erfahrung Montgelas’ die Französische Revolution von 1789 und ihre Entwicklung in den Folgejahren. Aus nächster Nähe erlebte er die ersten Bauernunruhen in Deutschland vor allem in grenznahen Gebieten bereits 1789 mit, auch wenn es in Zweibrücken selbst ruhig blieb.
Zu Beginn zeigte seine Einstellung Zustimmung im Grundsätzlichen: „Aber immer wird die Revolution das wirklich Gute bewirkt haben, den Despotismus gedämpft und gewisse Grundsätze zur Anerkennung gebracht zu haben.“[20] Montgelas forderte für den Staatsdienst eine Anstellung nach Verdienst und nicht nach Herkunft.
„Gleichmäßigere Vertretung, Ausdehnung der wesentlichen Menschenrechte auf alle Klassen der Gesellschaft, gleiche Steuerpflicht ohne irgendeinen Unterschied, dies sind die weisen Opfer die zu bringen ich nicht aufhöre sie (die privilegierten Stände Bayerns) zu ermahnen. Sie sind durch die Gerechtigkeit diktiert und durch die Umstände geboten.“[21]
In einer ausführlichen Auseinandersetzung mit einem Entwurf von Joseph August von Toerring entwickelt er dessen Vorschlag eines Landtags in einem Brief an Seinsheim weiter zur Idee einer Gesetzgebung durch eine Nationalversammlung als Zweikammersystem. Dem Adel und Klerus in einer Kammer wollte er damals eine zweite Kammer aus Abgeordneten der Stände und Märkte beigesellen, die durch alle Bürger der Gemeinde gewählt werden und durch Abgeordnete der kleinen bäuerlichen Eigentümer ergänzt werden sollte. Die Grundidee war eine Nationalversammlung nach der Maßgabe der Gesamtsteuerleistung und des Bevölkerungsanteils. Der Souverän sollte keine Gesetze mehr ohne Zustimmung der Nationalversammlung erlassen können, Montgelas hält aber umgekehrt auch an der Zustimmung des Fürsten fest, fordert also für diesen ein Vetorecht.
Montgelas äußerte aber auch bald konkrete Befürchtungen über (mögliche) Fehlentwicklungen: „Das Extreme taugt nie etwas. Medium tenuere beati.“[22] Besonders fürchtete er schädliche Auswirkungen möglicher Interventionen von außen. Auch die Flucht Ludwigs XVI. nach Varennes hielt er für einen schweren Fehler, weil sie es unmöglich machte, auf eine konstitutionelle Monarchie hinzuwirken. „[...] werde ich trauern um [...] das Unglück, das sie über die Menschheit bringen wird – jene Menschheit, die immer das sichere und unschuldige Opfer jener Anfälle von Ehrgeiz, Eitelkeit und Habsucht derjenigen sein wird, die eigentlich für das allgemeine Wohl arbeiten sollten.“[23] Statt bedingungsloser Opposition gegen Frankreich wünschte Montgelas „[...] daß unsere Fürsten gerecht fleißig, sparsam werden, und daß die französischen Lehren nicht verloren sind.“[24]
Wie viele deutsche Fürstentümer hatte auch Zweibrücken Grundbesitz in Frankreich und Vermögen in französischen Kapital- und Grundrenten angelegt. Montgelas plädierte für praktische Verhandlungen mit Frankreich über konkrete Interessen (wie etwa elsässische Besitzungen Zweibrückens) statt allgemeiner, unglaubwürdiger Drohgebärden: „Es geht [...] darum zu erkunden [...] ob diese Revolution uns Vorteil bringen kann, ob es nicht angebrachter ist, aus der neuen Ordnung der Dinge zu profitieren [...]“[25].
Es stellt fast eine Zusammenfassung seiner späteren Grundsätze als bayerischer Minister dar, einen Ausblick auf sein Programm einer Revolution von oben, wenn er an Seinsheim schrieb: „Offen gesagt, ich liebe den philanthropischen Rahmen der neuen Regierungsform. Ich zolle Beifall dem Ruin des Klerus, der uneingeschränkten Gewissensfreiheit, der Gleichheit der Besteuerung, der Permannenz der Gesetzgeber, den getroffenen Vorkehrungen zur Sicherung der persönlichen Freiheit. Ich liebe nicht die Abschaffung des Adels, die Erniedrigung des Thrones [...]“[26]
Ab 1792 zogen französische Truppen durch Pfalzbayern. Am 9. Februar 1793 verließ Karl August sein Schloss Karlsberg, nachdem schon vorher Wertsachen nach Mannheim geschafft worden waren. Montgelas’ Vorgesetzter Esebeck wurde von den Franzosen verhaftet. Montgelas blieb aus Pflichtgefühl in dem vorübergehend von preußischen Truppen verteidigten Zweibrücken und rettete Gemälde, Möbel und Akten. Er vermittelte zwischen Franzosen und den einheimischen Behörden. Im Mai 1793 standen je etwa 12.000 französische und preußische Truppen sich im Herzogtum Zweibrücken gegenüber. Das kleine Land konnte die Truppen kaum ernähren: „Jedermann leidet Not.“[27] Montgelas war erfolgreich darin als Vermittler Exzesse der Franzosen zu unterbinden.
Karl August in Mannheim und sein Minister Abbé Pierre de Salabert blieben tatenlos. Im Juli 1793 schlug Montgelas sich mühsam zwischen französischen und preußischen Truppen nach Mannheim durch um endlich Instruktionen seines Hofs zu erhalten. Doch dort schloss Salabert, ein in den Augen Montgelas unfähiger Höfling, der nur seinen eigenen Einfluss bei Karl August im Sinn hatte, ihn von allen Geschäften aus ohne sich selbst diesen Geschäften ausreichend zu widmen. Auch Esebeck erlangte nach seiner Freilassung keinen Einfluss mehr am Hof.
Im Herbst 1793 beschuldigte man Montgelas unter anderem der Zusammenarbeit mit den Jakobinern. Von da an wurde er nur noch unter der Hand gelegentlich von Mitarbeitern Karl Augusts als Ratgeber herangezogen. Aus München wurden auch die alten Vorwürfe gegen die seit sechs Jahren nicht mehr existierenden Illuminaten wieder belebt. Auch der Tod Karl Augusts am 1. April 1795 und die Nachfolge seines jüngeren Bruders Max Joseph ändern zunächst nichts an seiner verfemten Lage:
„Während dieser ganzen Zeit befand sich Herr von Montgelas in der tiefsten Ungnade. Man wagte nicht, seinen Namen auszusprechen; man bezichtigte ihn des Jakobinismus, des Illuminatentums[...] Er hatte um Verwendung in der Umgebung Salaberts gebeten, aber weder der verstorbene noch der neue Herzog wollten ihre Zustimmung hierzu geben. Er wurde abgewiesen, was er niemals vergaß. Er hatte indessen einen gewissen Einfluß in den Geschäften [...] behalten.“[28]
Erst mit der Ernennung zum Wirklichen Regierungsrat mit Sitz und Stimme bei Unserem herzoglichen Regierungs-Collegio durch Max Joseph am 11. Juli 1795 erhielt er wieder offizielle Befugnisse. Er wurde nach der Eroberung Mannheims durch die Franzosen nach Heidelberg versetzt, wo er sich um die Regelung der Angelegenheiten der Reformierten Kirche der Pfalz bemühte, die durch Karl Augusts Politik virulent geworden waren.
Nach der Rückeroberung Mannheims durch die Österreicher Ende 1795 (nachdem im Frieden von Basel Preußen sich Frankreich gegenüber neutral erklärt hatte und ihm seine linksrheinischen Besitzungen überließ) wurde Salabert von ihnen verhaftet und nach seiner Entlassung 1797 nicht mehr bei Max Joseph als Minister angestellt. Max Joseph fand im seit 1791 preußischen Ansbach Exil. Mit dem Einmarsch der Franzosen in Bayern im Spätsommer 1796 geriet die Anwartschaft Max Josephs auf die Nachfolge Karl Theodors wieder in Gefahr. Max Joseph entschloss sich daher Cetto als Sondergesandten zum Pariser Direktorium zu entsenden. Dieser schlug ihm Montgelas als seinen Vertreter vor. Auch der preußische Reichstagsgesandte Graf Johann Eustach von Görtz und der angesehene Vertreter der bayerischen Landschaftsverordnung Johann Maximilian Graf von Preysing empfahlen Montgelas wegen seiner Sachkunde.
Montgelas benutzte zu seiner Arbeit ausgiebig historische Quellen wie einschlägige Literatur, Verträge und Archive. Er hat selber akribisch alle Vorgänge im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten archivieren lassen. Eberhard Weis nennt ihn sinngemäß einen angewandten Historiker[29]. Sein jeweiliges Denken im Wandel der Zeit ist demgegenüber nur aus einigen Denkschriften (bzw. Entwürfen dazu), Briefen und zuletzt aus seinen Memoiren erschließbar. Von Montgelas sind aus der Zeit vor 1799 etwa sechzig Abhandlungen (teilweise nur Entwürfe) und Gutachten erhalten, weitere sind nur in seinen Briefen erwähnt. Lediglich einige für das Denken und Wirken Montgelas’ wichtige und charakteristische Schriften werden hier aufgeführt.
Schriftstück von 1778
Nur in einer Abschrift von Karl Ernst von Gravenreuth aus der Zeit von 1796 bis 1799, als er Privatsekretär von Max Joseph war, ist eine Skizze radikaler Pläne zur Abschaffung der Grundherrschaft überliefert, die Franz Karl von Hompesch, Ignaz Graf Arco und Montgelas 1778 erarbeiteten, die eine Bauernbefreiung zur Folge gehabt hätte. Zur Erleichterung der bedrückenden Lage der Bauern wurde die Übernahme aller grundherrschaftlichen Rechte der Klöster, Städte und Märkte durch den Staat erwogen, die durch die Errichtung einer bayerischen Hypothekenbank finanziert werden sollte. Diese hätte den alten Eignern jährlich fünf Prozent Zinsen auf die enteigneten Werte zahlen sollen und sich aus den Einnahmen des neuen Staatsbesitzes finanzieren. Das Projekt blieb jedoch unveröffentlicht und hatte vorerst keine weiteren Folgen.
Mémoire sur les droits des Ducs de Bavière en matière ecclésiastique 1789
Viel Zeit und Mühe verwendet Montgelas auf die – letztlich vergeblichen – Versuche 1788 und 1790 den vakant gewordenen Freisinger Bischofsstuhl mit einem Zweibrücken genehmen Kandidaten zu besetzen. Das finanziell bankrotte Bistum schien ihm ein guter Kandidat für eine Aufhebung der weltlichen Herrschaftsbefugnis des Fürstbischofs (siehe Mediatisierung) und zudem wollten die Wittelsbacher den Bischofssitz nach München verlegen. Hierzu arbeitete Montgelas einen Entwurf von Esebeck aus.
Programmatisch ging es Montgelas in der ausführlich mit historischen Quellen und Vorgängen begründeten Denkschrift
„um Stärkung und Konzentration der Staatssouveränität, um Zurückdrängung der Rechte kirchlicher Institutionen sowie der kirchlichen Gerichtsbarkeit zugunsten des Staates, in gewissem Sinn um Einbau der Kirche in den Staat und drittens um eine eventuelle künftige Einziehung reichsunmittelbaren und -mittelbaren Besitzes kirchlicher Institutionen.“[30]
Montgelas zog folgende Bilanz:
„[...] das Haus Pfalzbayern hat aufgrund der Natur, der Territorialhoheit und der Konstitution des Reiches ein uneingeschränktes Recht auf die Ausdehnung jener umfassenden Souveränität, welche seine Vorgänger im Herzogtum Bayern einst über die Personen und die Güter des landsässigen Klerus in ihren Staaten ausgeübt haben, und kein rechtliches Hindernis steht dem entgegen, daß dieses Haus wieder in den Genuß der Vorrechte eintritt, die es nur durch freiwillig erteilte, widerrufliche Privilegien abgetreten hatte.“[31]
Mémoire présenté à Mgr le Duc le 30 septembre 1796
In der verkürzt auch als Ansbacher Memoire[32][33] bezeichneten Programmschrift widmete sich Montgelas zunächst Grundsätzen einer zeitgemäßen Verwaltung. Er betonte die Notwendigkeit eine Geschäftsverteilung mit geregelten Zuständigkeiten der Ministerien einzuführen. Er forderte die Besetzung der Posten mit intelligenten, arbeitsamen und fähigen Persönlichkeiten, also nach Verdienst und nicht nach Herkommen. Als unerlässlich sah er eine angemessene Besoldung der Staatsdiener einschließlich einer ausreichenden Hinterbliebenenversorgung an. Dieser Punkt zielte gegen die (nicht nur) unter Karl Theodor übliche Praxis hohe Posten vorrangig an Begüterte zu vergeben. „Wenn es durch einen seltenen Zufall einmal einem arm geborenen Bürger gelungen ist, seinen Weg nach oben zu machen, so ist er darauf angewiesen, selbst dafür zu sorgen, daß er auf seine Kosten kommt und sich das mit unlauteren Mitteln zu verschaffen, was ihm die Regierung aus ungerechtfertigter Sparsamkeit vorenthalten hatte.“[34]
Die Minister sollten sich mit Mitarbeitern ihres eigenen Vertrauens umgeben dürfen, die sich ihrer Autorität unterordneten. Durch die Besetzung freier Stellen mit den qualifiziertesten und am besten vorgebildeten Bewerbern sei insbesondere die Kontinuität der Verwaltung bei einem Ministerwechsel sichergestellt. Dieser Punkt wendete sich gegen die Praxis, bevorzugt Adelige in den Staatsdienst zu berufen, häufig ungeachtet ihrer Befähigung und Sachkenntnis.
Wichtige Kernpunkte der Denkschrift bildeten die Umsetzung der gleichen Steuerpflicht ohne Ausnahmen für alle Stände, die religiöse Toleranz, die Beseitigung von Missständen beim Gerichtswesen, eine Neugliederung der mittleren Verwaltungsebene, verbunden mit einer Neuorganisation des Zentralarchivs und der Provinzialarchive, die Neuregelung von Schardiensten für Grundherren, eine Reform der Gesetzgebung vor allem beim Zivil- und Strafrecht, Reform und Hebung des Bildungswesens, angefangen bei den Schulen bis hin zu den Universitäten, Einführung der allgemeinen Schulpflicht, Einführung von Presse- und Veröffentlichungsfreiheit und Abschaffung der Zensur. „Es ist heute erwiesen, daß es die grobe Unwissenheit der Völker ist und nicht die vernünftige und dem Stand eines jeden entsprechende Bildung, die man ihnen vermittelt, welche Revolutionen hervorruft und Reiche umstürzt. Je aufgeklärter die Menschen sind, desto mehr lieben sie ihre Pflicht und stehen zu einer Regierung, die sich wirklich um ihr Glück bemüht.“[35]
Montgelas schlug die Gliederung der Verwaltung in fünf Ministerien vor: Außenministerium, Finanzministerium, Justizministerium, Ministerium für geistliche Angelegenheiten und Kriegsministerium. Zu jedem der ersten vier Ministerien definierte er Zuständigkeiten, personelle Ausstattung und machte Vorschläge für die Besetzung des Ministerpostens. Lediglich beim Kriegsministerium erklärte er sich seinem ‘maître‘ gegenüber für unzuständig, da Max Joseph bis zum 33. Lebensjahr Oberst des französischen Regiments Royal d’Alsace war und das Militär sein persönliches Steckenpferd. Die Reformvorschläge Montgelas’ wurden wo möglich durch historische Beispiele aus anderen Ländern und ggf. auch durch Verweis auf andere Denkschriften (z. B. einer verlorenen von 1788 oder 1789 von Joseph August Graf von Törring-Gronsfeld) untermauert.
Die Grundzüge dieser Denkschrift wurden ab 1799 in großen Teilen bei der Umgestaltung der bayerischen Verwaltung umgesetzt. Am wenigsten traf dies für Montgelas’ umfangreiche Ausführungen zum Ministerium für geistliche Angelegenheiten zu (das auch für Bildung zuständig war und aus dem 1806 unter Hinzunahme der Zuständigkeit für die Polizei das Innenministerium hervorging). Montgelas schlug vor, die politischen und rechtlichen Befugnisse der römisch-katholischen Kirche zu beschränken, allerdings nur in Fällen, in denen er Rechtsansprüche ins Feld führen konnte, und die Bettelorden aufzulösen. In den anderen Fällen bevorzugte er den Ansatz, sich über Reformen im gütlichen Einvernehmen zu verständigen. Die Geistlichen sah Montgelas wie viele, insbesondere katholische Aufklärer, grundsätzlich als nützlich für die Volkserziehung an.
Niederschrift zum Rohrbacher Hausvertrag von 1797
Montgelas fertigte einige Monate vor dem Abschluss eines Hausvertrags mit Herzog Wilhelm von Birkenfeld eine Niederschrift über die von ihm wesentlich beeinflussten vorausgegangenen Verhandlungen an. Der Hausvertrag wurde auf 1796 vordatiert und wird daher auch als Ansbacher Hausvertrag von 1796 bezeichnet, da Max Joseph Anfang 1797 in zweiter Ehe Prinzessin Karoline von Baden geheiratet hatte, die man wegen ihrer österreichfreundlichen Haltung von politischer Mitwirkung ausschließen wollte. Neben der Sicherung der Ansprüche der Wittelsbacher auf ihr angestammtes Herrschaftsgebiet ging es darin auch um die konkrete Umsetzung einiger Punkte des Ansbacher Memoire, wie den Umgang mit Staatsgut oder die Abschaffung der erblichen Anwartschaft auf Ämter im Staat. Neu hinzu trat eine Regelung der Schuldenaufnahme und -tilgung des Staates.
Compte rendu au Roi von 1817
Der Rechenschaftsbericht Montgelas nach seinem Sturz 1817 an seinen König stellt insofern eine wichtige Quelle zu Montgelas Handeln als Minister dar, als er die Innenpolitik Bayerns zwar subjektiv gefärbt aber inhaltlich zweifellos weitgehend korrekt darstellt, da sein Adressat Max Joseph die geschilderten Sachverhalte aus eigener Anschauung kannte.[36]
Denkschrift zu den Karlsbader Beschlüssen von 1819
Montgelas wendete sich in dieser Denkschrift, die wahrscheinlich 1819 für Max Joseph verfasst wurde, gegen die in den Karlsbader Beschlüssen festgelegte Einschränkung der Presse und Meinungsfreiheit und plädierte dafür, sie in Bayern nicht umzusetzen, was mit der Unterstützung von Zentner und des Kronprinzen Ludwig auch erfolgte. Montgelas warnte darin vor Einflussmöglichkeiten von Metternich auf die bayerische Innenpolitik und Verfassung.
Denkwürdigkeiten
Die Denkwürdigkeiten stellen eine außenpolitische Rechtfertigungsschrift Montgelas’ dar, die er nach seiner Entlassung zusammenstellte. Anders als der Compte rendu enthalten sie jedoch tendenzielle Verzerrungen und sehr subjektive Meinungsäußerungen von Montgelas. Sie durften nach Montgelas Willen erst nach dem Tod aller darin aufscheinenden Personen veröffentlicht werden.[37]
Am 10. September 1796 ernannte Max Joseph Montgelas zum Wirklichen Geheimen Legationsrat. Montgelas’ Feinfühligkeit in der Menschenbehandlung und eine rastlose politische Aktivität in seiner neuen Stellung machten ihn bald zum leitenden politischen Berater des Herzogs. Bereits zwanzig Tage nach seiner Ernennung legte er am 30. September 1796 das Ansbacher Memoire vor.
Von 1790 bis 1799 verhandelte Montgelas mehrfach über eine alle drei christlichen Konfessionen befriedigende Regelung der religiösen Verhältnisse in der Pfalz „auf den tragfähigen Grundlagen der Toleranz und Vernunft“. Zuerst ging es Montgelas dabei darum zu verhindern, dass es zu einer Klage vor dem Reichshofrat in Wien kommen würde, und stattdessen die Streitfragen ohne äußere Einmischung zu lösen, was misslang. Nach der Abweisung der Klage strebte er ab 1797 vor allem an, dass die reformierte Kirche der Pfalz wie die katholische und lutherische Kirche zwar in der Lehre frei, ansonsten aber Organ im Staat und dem Staatskirchenrecht unterworfen seien. Die kurfürstliche Religionsdeklaration kam erst 1799 nach Amtsantritt Montgelas’ in München unter seinem ersten Minister für die Geistlichen Angelegenheiten Graf Morawitzky und der Verhandlungsführung Georg Friedrich Zentners zustande. Sie legte die Grundlage für eine rechtliche Gleichstellung aller christlichen Konfessionen in Bayern. Beim Verhältnis von Kirche und Staat ähnelten Montgelas’ Auffassungen stark dem Vorbild des landesherrlichen Kirchenregiments der protestantischen Staaten.
Der landlose Herzog Max Joseph unterhielt im Exil unter Montgelas’ Anleitung eine Vielzahl diplomatischer Aktivitäten, die im Zusammenhang damit standen, dass sich in München Karl Theodor als zunehmend handlungsunwillig erwies. Immer mehr orientierten sich Mitglieder der bayerischen Administration heimlich an den Konzepten von Max Joseph und Montgelas. Nur von dort kamen zwischen 1796 und 1799 noch Impulse durch aktive Mitwirkung an den politischen Ereignissen die Interessen Bayerns wahrzunehmen. Über allem stand die Sorge Bayern als selbstständigen Staat in diesen unruhigen Zeiten lebens- und handlungsfähig zu erhalten.
1797 erkannte Österreich den Rhein als Ostgrenze Frankreichs in geheimen Zusätzen zum Frieden von Campo Formio an. In dieser Zeit formulierte Montgelas nach dem Verlust der linksrheinischen Gebiete der Pfalz an Frankreich das Konzept, Altbayern durch Gebietsabrundungen zu einem flächenmäßig zusammenhängenden Mittelstaat im Deutschen Reich zu machen, der nicht wie die bis dahin zersplitterten Besitztümer der Wittelsbacher mit praktisch allen westeuropäischen Großmächten gemeinsame Grenzen hatte – was jede Diplomatie natürlich wesentlich erschwerte. Politisches Ziel war die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit zwischen den Machtblöcken Frankreichs, Österreichs, Preußens und Russlands. Dabei sieht Montgelas aber auch die Akzeptanz und Unterstützung des Staates durch seine Bürger in einem zusammenhängenden Flächenstaat als leichter erreichbar an als in einem zersplitterten Staatsgebiet.
Im gesamten Deutschen Reich wurden die Forderungen nach einer Entschädigung der weltlichen Fürsten für linksrheinische Verluste durch „allgemeine und vollständige Säkularisation“ immer stärker, denen nun auch Montgelas sich anschloss. Die Begründungen lieferten ihm nun nicht mehr staatsrechtliche Argumente, sondern die Entschädigungsinteressen Bayerns vor allem gegen gleichartige Ansprüche Österreichs (Passau und Salzburg) und Preußens (Würzburg und Bamberg). In dieser Hinsicht stießen die Bemühungen Max Josephs und wichtiger bayerischer Kreise jedoch auf scharfen Widerstand Karl Theodors, der zunächst noch an eine Rückgabe der linksrheinischen Besitzungen glaubte und später Ideen zum Tausch Bayerns gegen Baden, Mailand oder die Österreichischen Niederlande (in etwa das heutige Belgien) anhing.
Angesichts der Schwäche des neutralen Preußens wendete Montgelas sich Frankreich als einem wichtigen Machtfaktor bei der Unterstützung gegen österreichische Ansprüche auf bayerische Lebensinteressen zu wie etwa der Salzgewinnung im Raum Berchtesgaden-Traunstein, die alte Lieferverträge aus Salzburg–Hallein einschloss. Der Salzhandel war eine wesentliche Einnahmequelle des damaligen bayerischen Staates, wie Montgelas seinem Herzog penibel vorrechnete. Die Gebiete östlich des Inns hatte Napoleon zunächst Österreich zugesagt, doch verhinderte Talleyrand im Rastatter Kongress die Erfüllung dieser Absprache, die einen Gegner Frankreichs ohne Gegenleistung gestärkt und einen möglichen Verbündeten wesentlich geschwächt hätte. Bayern war für Frankreich ein Pufferstaat zu Österreich ohne Frankreich selbst nennenswert bedrohen zu können. Letztlich war Montgelas deswegen erfolgreich, weil sich auch im Direktorium die Meinung durchsetzte, dass flächenmäßig zusammenhängende Mittelstaaten in Deutschland am ehesten Aussichten auf eine stabile Neuordnung Europas im französischen Interesse böten.
Als sich auf dem Rastatter Kongress ab 1797 die Gefahr abzeichnete, dass sich Frankreich und Österreich doch noch über die Westverschiebung der Grenze Österreichs zu Bayern an den Inn verständigen könnten, wurde Montgelas in diesem Sinn erfolgreich in Paris, Rastatt und beim französischen Gesandten in München vorstellig, entwickelte aber gleichzeitig zusammen mit Zentner Alternativpläne über eine Kompensation Bayerns im Süden durch Anschluss Tirols und Vorarlbergs bis zum Inn oder im Norden durch einen Korridor im Mainraum zu den verbliebenen Gebieten der rechtsrheinischen Pfalz. Montgelas fürchtete um Bayern: „Das Beispiel Polens ist erschreckend[...] Es ist nötig, daß die Mittelstaaten zu sich selbst kommen und sich daran gewöhnen, durch Mut Geist und Sparsamkeit ihr Schicksal in die eigenen Hand zu nehmen; andernfalls werden sie von den großen Fischen verschlungen[...]“[38]. Die Reduzierung des Königreichs Sardinien und die Okkupation Venedigs und Savoyens (der Heimat seiner Vorfahren) durch Frankreich lieferten ihm weitere Beispiele, was auch Bayern damals drohen konnte.
Montgelas musste sich in dieser Zeit zusätzlich um die Finanzierung seines einnahmelosen Herzogs Max Joseph kümmern. Neben den Ausgaben für den Herzog, seinen diplomatischen Apparat und seine Agenten in Bayern gehörten dazu auch die in dieser Zeit üblichen Geschenke an Diplomaten, die man sich gewogen erhalten wollte. Montgelas’ damals geknüpfte Kontakte mit Bankiers sollten ihm auch später gute Dienste bei Notlagen der bayerischen Staatsfinanzen leisten. Andere Unterstützung kam von den bayerischen Landständen und von Apanagen Karl Theodors, der wegen des agnatischen Konsenses zum Beispiel bei der Aufnahme von Staatsschulden in Bayern auf die Zustimmung Max Josephs angewiesen war. Ab 1797 lebte Max Joseph wieder in Rohrbach und Mannheim in den Karl Theodor noch verbliebenen rechtsrheinischen Besitzungen.
Als sich der Gesundheitszustand des 73-jährigen Kurfürsten erkennbar verschlechterte, setzte Montgelas auf eine von ihm in undurchsichtigen Lagen häufig bis zur Klärung der Verhältnisse angewandte Verzögerungstaktik. Konkret ging es in der zweiten Jahreshälfte 1798 um die durch langatmiges Abwägen von Gründen und Gegengründen hinausgeschobene Zustimmung zum Verkauf von Gerichtsgründen, zu der Verpachtung der Weißbierbrauereien und zum Verkauf des Zehenten. Die zu genehmigenden Finanzmittel sollten nicht mehr Karl Theodor zugutekommen, der in großem Stil Staatsmittel für sich, zur Versorgung seiner illegitimen Kinder und von Günstlingen sowie für favorisierte Einrichtungen und sogar für Zahlungen an Österreich abzweigte, und die dem durch die österreichische Besetzung mit etwa hunderttausend Soldaten schwer belasteten Staat fehlten.
Schwierig gestalteten sich Montgelas’ durch zahllose mémoires unterstützte Bemühungen, den geselligen und gesprächigen Lebemann Max Joseph in die Notwendigkeiten der Diplomatie einzubinden. Immer wieder führte Max Josephs spontane Redseligkeit zu diplomatischen Fehlinterpretationen, die Montgelas anschließend auszuräumen versuchen musste. Auch bei einem Treffen mit Karl Theodor in München im Mai 1798 reiste Max Joseph vorzeitig ab und vereitelte dadurch fast wichtige Abmachungen mit Karl Theodor, der politisch so gut wie nur noch mit Wien verkehrte und ein letztes Mal versuchte, den ihm ungelegenen Montgelas auszuschalten. Erst ab etwa 1805 unterliefen Max Joseph auf dem diplomatischen Parkett deutlich weniger schwerwiegende Fehltritte.