Philosophie
Nachdenken über grundsätzliche Fragen, kritische Reflexion zentraler Begriffe / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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In der Philosophie (altgriechisch φιλοσοφία philosophía, latinisiert philosophia, wörtlich „Liebe zur Weisheit“) wird versucht, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen.
Von anderen Wissenschaftsdisziplinen unterscheidet sich die Philosophie dadurch, dass sie sich oft nicht auf ein spezielles Gebiet oder eine bestimmte Methodologie begrenzt, sondern durch die Art ihrer Fragestellungen und ihre besondere Herangehensweise an ihre vielfältigen Gegenstandsbereiche charakterisiert ist.
In diesem Artikel geht es um die westliche (auch: abendländische) Philosophie, die im 6. Jahrhundert v. Chr. im antiken Griechenland entstand. Nicht behandelt werden hier die mit der abendländischen Philosophie in einem mannigfaltigen Zusammenhang stehenden Traditionen der jüdischen und der islamischen Philosophie sowie die ursprünglich von ihr unabhängigen Traditionen der afrikanischen und der östlichen Philosophie.
In der antiken Philosophie entfaltete sich das systematische und wissenschaftlich orientierte Denken. Im Laufe der Jahrhunderte differenzierten sich die unterschiedlichen Methoden und Disziplinen der Welterschließung und der Wissenschaften direkt oder mittelbar aus der Philosophie, zum Teil auch in Abgrenzung zu irrationalen oder religiösen Weltbildern oder Mythen.
Kerngebiete der Philosophie sind die Logik (als die Wissenschaft des folgerichtigen Denkens), die Ethik (als die Wissenschaft des rechten Handelns) und die Metaphysik (als die Wissenschaft der ersten Gründe des Seins und der Wirklichkeit). Weitere Grunddisziplinen sind die Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie, die sich mit den Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns im Allgemeinen bzw. speziell mit den Erkenntnisweisen der unterschiedlichen Einzelwissenschaften beschäftigen.
Es gibt Probleme, die sich nicht oder nur unzureichend mit Hilfe der exakten Wissenschaften bearbeiten lassen: die Fragen etwa nach dem, was „gut“ und „böse“ ist, was „Gerechtigkeit“ bedeutet, ob es einen Gott gibt, ob der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt oder was der „Sinn des Lebens“ ist.
Eine weitere Klasse von Fragen kann ebenfalls nicht eigentlicher Gegenstand von z. B. Naturwissenschaften sein:
- Die Biologie untersucht zwar die Welt des Lebendigen, sie kann aber nicht bestimmen, was das „Wesen“ des Lebendigen ausmacht, ob und wann lebende Organismen getötet werden dürfen oder welche Rechte und Pflichten das menschliche Leben beinhaltet.
- Mit Hilfe von Physik und Mathematik können zwar Naturgesetze ausgedrückt werden, aber die Frage, ob die Natur überhaupt gesetzmäßig aufgebaut ist, kann keine Naturwissenschaft beantworten.
- Die Rechtswissenschaften untersuchen und legen fest, wann etwas im Einklang mit den Gesetzen geschieht; was aber wünschenswerte Inhalte des Gesetzbuches sein sollten, dies übersteigt ihren Rahmen.
- Allgemein erhebt sich nicht nur hinsichtlich jeder Einzelwissenschaft, sondern grundsätzlich die Frage, wie wir mit dem daraus gewonnenen Wissen umgehen sollen.
- Zudem gibt es Fragestellungen, welche die Grenzen des Denkens berühren, wie etwa die Frage, ob die in diesem Moment individuell erlebte Wirklichkeit auch tatsächlich existiert.
In allen solchen Fällen versagen die Erklärungsmodelle der Einzelwissenschaften, es sind philosophische Fragen.
Der griechische Philosoph Platon (428/27 – 348/47 v. u. Z.) hegte deshalb Zweifel an dem Bild, das der Mensch von sich selbst und von der Welt entwickelte. In seinem berühmten Höhlengleichnis[1] reflektierte er unter anderem die begrenzte Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit des gewöhnlichen Menschen. Dieser sitzt mit seinesgleichen nebeneinander aufgereiht in einer Höhle, alle in einer Weise gefesselt, dass sie nur starr geradeaus die Höhlenwand vor sich betrachten können. Licht gibt ein Feuer, das weit im Rücken der Menschen im entfernten Teil der Höhle brennt. Zwischen den Menschen und dem Feuer befindet sich – ebenfalls in ihrem Rücken – eine Mauer, hinter der verschiedene Gegenstände getragen und bewegt werden, welche die Mauer überragen und den auf ihre Höhlenwand fixierten Menschen als mobile Schatten erscheinen. Stimmen und Geräusche von dem Treiben hinter der Mauer würden den fixierten Beobachtern demzufolge ebenfalls als Hervorbringungen der Schatten vor ihren Augen gelten müssen. Mit diesem Szenario kontrastiert Platon die uns geläufige „wirkliche“ Welt im Sonnenlicht außerhalb der Höhle und macht durch diesen Kunstgriff begreiflich, warum Philosophen die Wahrheit, d. h. die Nähe zur Wirklichkeit menschlicher Wahrnehmung in Frage stellen.
Die Philosophie behandelt zumeist Sachverhalte, die im Alltag zunächst einmal völlig selbstverständlich erscheinen: „Du sollst nicht töten“, „Demokratie ist die beste aller Staatsformen“, „Wahrheit ist, was nachprüfbar stimmt“, „Die Welt ist, was sich im Universum vorfindet“ oder „Die Gedanken sind frei“. Für manche Philosophen ist erst der Augenblick, in dem solche Überzeugungen, in dem das bisher fraglos Hingenommene fragwürdig wird, der Geburtsmoment der Philosophie. Menschen, denen nichts fragwürdig erscheint, werden demnach nie Philosophie betreiben. Auch das kindliche Staunen wird oft als Beginn philosophischen Denkens angeführt:
„Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.“
„Staunen veranlasste zuerst – wie noch heute – die Menschen zum Philosophieren.“
Anders als Religionen, religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen stützt sich die Philosophie bei der Bearbeitung der oben genannten „philosophischen“ Fragen allein auf die Vernunft, d. h. auf rationale Argumentation, die keine weiteren Voraussetzungen (wie z. B. den Glauben an eine bestimmte zugrundeliegende Lehre) erfordert.
Begriffsdefinition
„Philosophie“ lässt sich nicht allgemeingültig definieren, weil jeder, der philosophiert, eine eigene Sicht der Dinge entwickelt. Daher gibt es annähernd so viele mögliche Antworten auf die oben gestellte Frage wie Philosophen. Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal formuliert: „Philosophie ist die Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben.“[2] Daneben hat der Begriff auch viele weichere Konnotationen und kann dann Weltanschauung, Unternehmenskultur etc. bedeuten.[3]
Umso erstaunlicher ist die materialistische Fassung des Begriffes: "In ihrer wissenschaftlich begründeten Gestalt als dialektischer und historischer Materialismus ist Philosophie die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Strukturgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens (Erkennens) sowie der Stellung des Menschen in der Welt".[4]
Zu den philosophischen Arbeitsfeldern gehört zunächst die Untersuchung von Methoden, Prinzipien und der Gültigkeit jeglicher Erkenntnisgewinnung wie auch der Argumente und Theorien auf wissenschaftlicher Ebene. Philosophie kann in diesem Zusammenhang als Grundlagenwissenschaft verstanden werden. Denn philosophisches Nachdenken und In-Frage-Stellen hat die Einzelwissenschaften stets befruchtet und in ihrer Entwicklung gefördert. Die Philosophie stellt Fragen von einer Art, die Spezialwissenschaften (bisher) nicht beantworten können, die durch Versuche, Berechnungen oder andere Forschungen mit den bisherigen Instrumenten nicht zu beantworten sind. Derartige Problemstellungen können aber das Forschen in eine neue Richtung lenken. So werden mitunter neuartige Forschungsfragen in den einzelnen Wissenschaften auf den Weg gebracht; Philosophie leistet folglich über das ureigene Feld hinaus einen Beitrag zur Hypothesenbildung.
Weitergehende philosophische Bemühungen erstrecken sich auf eine systematische Ordnung menschlichen Wissens zwecks Herstellung eines in sich schlüssigen Weltbilds unter Einbeziehung menschlicher Werte, Rechte und Pflichten.
Sinn und Arten des Philosophierens
Viele Menschen betreiben Philosophie um ihrer selbst willen: um sich selbst und die Welt, in der sie leben, besser zu verstehen; um ihr Handeln, ihr Weltbild auf eine gut begründete Basis zu stellen. Wer ernsthaft philosophiert, stellt kritische Fragen an die ihn umgebende Welt sowie an sich selbst, lässt sich im Idealfall nicht so leicht täuschen oder von anderen seelisch-geistig manipulieren, übt sich in Wahrhaftigkeit und begeht nicht so leicht Fehlschlüsse. Ein kritisches Potenzial der Philosophie liegt im Hinterfragen der gesellschaftlichen Verhältnisse ebenso wie in einer Relativierung der Ansprüche von Wissenschaften und Religionen. Hierbei beschränkt sich die Philosophie nicht auf die kritische Analyse, sondern sie liefert auch konstruktive Beiträge, beispielsweise durch die rationale Rekonstruktion und Präzisierung vorhandener Wissenssysteme oder die Formulierung von Ethiken. Ein selbstbestimmtes und vernunftbasiertes Leben auf der Grundlage eigenen Nachdenkens (sapere aude!) ist das Ziel vieler Philosophierender.
Bei dem auf individuellen Nutzen gerichteten Philosophieren sind vor allem zwei Arten oder Ausrichtungen zu unterscheiden:
Das Streben nach Weltweisheit soll dem Verstand Orientierung und Sicherheit in allen lebenspraktischen Bezügen verschaffen und die Fähigkeit zu sinnvoller gedanklicher Einordnung alles Begegnenden begünstigen. Es soll gleichsam die Unerschütterlichkeit des eigenen Verstandes durch das Geschehen in der Welt bewirken, sodass der Intellekt jede Lebenssituation souverän zu verarbeiten vermag. Wem von seinen Mitmenschen Weisheit zuerkannt wird, der vermittelt durch seine Reaktionen und Äußerungen den Eindruck, dass er über solche Souveränität verfügt.
Demgegenüber legt die Philosophie als Lebensweise den Akzent auf die Umsetzung der Ergebnisse philosophischer Reflexion in die eigene Lebenspraxis. Auf die richtige Weise zu leben und den Lebensalltag zu gestalten, setzt hiernach ein in vertiefter Form eingeübtes und daraus sich entwickelndes richtiges Denken voraus. Und umgekehrt ist es zur Beglaubigung des philosophischen Denkens nötig, dass es sich in der Lebensweise erkennbar spiegelt.
Sehr ausgeprägte Anwendungsformen einer philosophisch bestimmten Lebensweise hat es insbesondere in der Antike gegeben, vor allem in den Reihen der Stoiker, der Epikureer und der Kyniker. Für das Ideal der Übereinstimmung von Denken und Tun hat der Kyniker Diogenes von Sinope durch seine von radikaler Enthaltsamkeit gekennzeichnete Lebensweise Anhängern wie Gegnern dieser Art philosophischer Ausrichtung ein oft zitiertes Beispiel gegeben. Die Einheit von Theorie und Praxis wird jedoch auch in der östlichen Philosophie betont.
Diogenes, der seinem philosophischen Denken Ausdruck verlieh, indem er dem weltlichen Treiben entsagte, zeugt auch davon, dass zum Philosophieren Ruhe und Muße gehören. (Noch das Wort Schule geht auf das griechische Wort in der alten Bedeutung für „Muße“ [σχολή, scholḗ] zurück.)
Ein großer Gewinn des Philosophierens besteht in der Schulung des Denkens und des Argumentierens, denn sowohl in methodischer Hinsicht als auch beim sprachlichen Ausdruck werden im fachlichen Diskurs strenge Anforderungen an die Philosophierenden gestellt. Das akademische Philosophieren unterscheidet sich vom alltäglichen Philosophieren nicht prinzipiell durch die Fragen, sondern eher durch den Rahmen – in der Regel die Universität – und durch bestimmte Formen der Aus- und Abgrenzung philosophischer Tätigkeit. Es gelten verschiedene Übereinkünfte über die Formen des Argumentierens und der wissenschaftlichen Publikation sowie die zugelassene Fachterminologie. Die Tätigkeiten des akademisch Philosophierenden umfassen dabei die unten genannten Methoden.
Philosophisch gebildete Menschen unterscheiden sich von den übrigen nicht unbedingt darin, dass ihnen mehr (nützliches) Wissen zur Verfügung stünde. Ihnen steht allerdings in der Regel ein besserer Überblick über die Argumente zur Verfügung, die in einer philosophischen Debatte hinsichtlich eines bestimmten Diskussionsgegenstands bereits vorgebracht wurden. So kann es etwa hilfreich sein, bei einem aktuell diskutierten Problem (z. B. Euthanasie) danach zu fragen, welche Antwortmöglichkeiten die Philosophie in den letzten 2500 Jahren dazu angeboten hat und wie die Auseinandersetzungen um diese Vorschläge bisher verlaufen sind. Neben dieser historischen Kenntnis sollte ein ausgebildeter Philosoph eher in der Lage sein, die prinzipiell vertretbaren Positionen zu unterscheiden, deren Folgen vorauszusehen sowie Probleme und Widersprüche zu erkennen.
Weitere Anwendungen und Aufgaben der Philosophie bestehen darin,
- die grundlegenden Begriffe, Fragen, Thesen und Positionen, welche die einzelnen Wissenschaften verwenden, zu thematisieren. So fragt die Philosophie etwa, was den Begriff der „Würde“ ausmacht, wenn er in Diskussionen der Rechtswissenschaften oder der Soziologie verwendet wird.
- die unausgesprochenen Begriffe, Fragen, Thesen und Positionen herauszuarbeiten, die anderen Wissenschaften zugrunde liegen. So fragt etwa die Ethik: „Was ist Gerechtigkeit?“ und untersucht dabei auch Begriff, Grundlagen und Bedingungen der Rechtswissenschaften überhaupt.
- die Fragen nach Denkmustern bzw. Denkgewohnheiten vergangener Zeiten zu beantworten, auf die die überlieferten Artefakte im Museum keine Antworten zu geben vermögen.
Methoden
Die Methoden der Philosophie umfassen verschiedene geistige Bemühungen. „Geistige Bemühungen“ kann dabei das Nachspüren von Denkrichtungen, Denktraditionen und Denkschulen meinen. Um das Denken geht es beim Philosophieren immer. Denken kann Nach-Denken sein, Analysieren oder Systematisieren. Intuitive Erkenntnisse, Glaubenswahrheiten und rationale Argumente werden auf der Grundlage der Lebenswirklichkeit des philosophierenden Menschen, mithilfe der Mittel des vernünftigen, rationalen und kritischen Denkens, geprüft.
Zudem vermag die philosophische Geisteshaltung in einem methodischen Zweifel radikal alles in Frage zu stellen – sogar die Philosophie selbst. Dabei beginnt die Philosophie mit jedem Philosophierenden gleichsam wieder bei null. Es gehört zur Haltung eines Philosophierenden, auch scheinbar grundlegende oder alltägliche Gewissheiten in Frage stellen zu können. Menschen, denen sich die Lebenswirklichkeit nicht auch als Frage oder Problem aufdrängt, erscheint solch fundamentaler Zweifel nicht selten befremdlich. Über lange Zeiträume gesehen stellt die Philosophie in zentralen Bereichen immer wieder dieselben Grundfragen, deren Antwortmöglichkeiten sich prinzipiell ähneln (Philosophia perennis). Aufgrund der historischen und sozialen Veränderungen der Lebensumstände und Weltanschauungen werden jeweils neue Formulierungen für die Antworten auf die Grundfragen des Menschen notwendig. Anders als in den einzelnen Wissenschaften häufen weder die Philosophie noch die einzelnen Philosophierenden Wissen an oder verfügen über definitive und allgemein anerkannte Ergebnisse („Skandal der Philosophie“). Sie sammeln historische Antworten, reflektieren diese und können dadurch zeitgebundene Blickwinkelverengungen, wie sie in manchen Spezialwissenschaften anzutreffen sind, vermeiden. Insofern kann der philosophische Diskurs als ein in sich nicht abschließbarer Prozess betrachtet werden – als ein kontroverses Gespräch über die Jahrhunderte hinweg.
Grundsätzlich lassen sich zwei Ansätze bzw. Bereiche des heutigen „professionellen“ Philosophierens unterscheiden: die historische und die systematische Vorgehensweise:
- Historisch arbeiten Philosophen dann, wenn sie versuchen, die Positionen und Thesen von Denkern wie z. B. Platon, Thomas von Aquin oder Immanuel Kant zu rekonstruieren und zu interpretieren. Auch die Herausarbeitung bestimmter philosophischer Strömungen oder Auseinandersetzungen in der Geschichte gehört hierzu, ebenso das Verfolgen der Geschichte von Begriffen und Ideen.
- Systematisch gehen Philosophen vor, wenn sie versuchen, zu einem bestimmten Problemfeld Standpunkte auszuarbeiten und zu verteidigen, Fragen innerhalb der verschiedenen philosophischen Disziplinen zu beantworten oder die offenen bzw. unausgesprochenen Voraussetzungen einer bestimmten Frage oder Behauptung zu analysieren; oder wenn sie sich darum bemühen, die in bestimmten Fragen, Thesen oder Positionen verwendeten Begriffe zu klären. Lautet die Frage etwa: „Hat der Mensch einen freien Willen?“, so müssen für eine Antwort zunächst die Begriffe „Willen“, „Freiheit“ und „Mensch“ – vielleicht sogar die Bedeutung von „haben“ – einer genauen Bedeutungsanalyse unterzogen werden.
Die historischen und die systematischen Herangehensweisen bzw. Bereiche sind dabei prinzipiell durch das jeweilige Ziel der philosophischen Untersuchungen voneinander abgrenzbar. Viele Philosophen arbeiten allerdings sowohl historisch wie systematisch. Beide Ansätze ergänzen einander insofern, als einerseits die Schriften herausragender philosophischer Autoren auch für aktuelle systematische Fragen hilfreiche Überlegungen enthalten und andererseits systematische Ausarbeitungen oft Positionen der Klassiker präzisieren helfen. Außerdem können in vielen Fällen heutige Fragen nur dann präzise gestellt und beantwortet werden, wenn der historische Hintergrund für ihr Aufkommen und die seitdem für die Behandlung des Problems entwickelten Begrifflichkeiten und Lösungsvorschläge bekannt sind und verstanden werden.
Der Begriff „Philosophie“ (bis ins 19. Jahrhundert im Deutschen auch gelegentlich Filosofie geschrieben[5]), zusammengesetzt aus griechisch φίλος (phílos) „Freund“ und σοφία (sophía) „Weisheit“, bedeutet wörtlich „Liebe zur Weisheit“ bzw. einfach „zum Wissen“ – denn sophía bezeichnete ursprünglich jede Fertigkeit oder Sachkunde, auch handwerkliche und technische. Das Verb philosophieren taucht erstmals beim griechischen Historiker Herodot (484–425 v. Chr.) auf (I,30,2), wo es zur Beschreibung des Wissensdurstes des Athener Staatsmannes Solon (ca. 640–559 v. Chr.) dient. Dass Heraklit schon den Begriff philósophos verwendete,[6] ist nicht anzunehmen. In der Antike pflegte man die Einführung des Begriffs Philosophie Pythagoras von Samos zuzuschreiben. Der Platoniker Herakleides Pontikos überlieferte eine Erzählung, wonach Pythagoras gesagt haben soll, nur ein Gott besitze wahre sophía, der Mensch könne nur nach ihr streben. Hier ist mit sophia bereits metaphysisches Wissen gemeint. Die Glaubwürdigkeit dieses – nur indirekt und fragmentarisch überlieferten – Berichts des Herakleides ist in der Forschung umstritten. Erst bei Platon tauchen die Begriffe Philosoph und philosophieren eindeutig in diesem von Herakleides gemeinten Sinne auf, insbesondere in Platons Dialog Phaidros,[7] wo festgestellt wird, dass das Streben nach Weisheit (das Philosophieren) und Besitz der Weisheit sich ausschließen und letzterer nur Gott zukomme.
Philosophie wurde im Laufe ihrer Geschichte als Streben nach dem Guten, Wahren und Schönen (Platon) oder nach Weisheit, Wahrheit und Erkenntnis (Hobbes, Locke, Berkeley) definiert. Sie forsche nach den obersten Prinzipien (Aristoteles) und ziele auf den Erwerb wahren Wissens (Platon). Sie ringe um die Erkenntnis aller Dinge, auch der unsichtbaren (Paracelsus), sei Wissenschaft aller Möglichkeit (Wolff) und vom Absoluten (Fichte, Schelling, Hegel). Sie ordne und verbinde alle Wissenschaft (Kant, Mach, Wundt), stelle die „Wissenschaft aller Wissenschaften“ dar (Fechner). Die Analyse, Bearbeitung und exakte Bestimmung von Begriffen stehe in ihrem Mittelpunkt (Sokrates, Kant, Herbart). Philosophie sei jedoch zugleich auch die Kunst, sterben zu lernen (Platon), sei normative Wertlehre (Windelband), das vernunftgemäße Streben nach Glückseligkeit (Epikur, Shaftesbury) bzw. das Streben nach Tugend und Tüchtigkeit (Aristoteles, Stoa).
Aus europäischer Sicht verbindet sich der Begriff Philosophie mit den Ursprüngen im antiken Griechenland. Die gleichfalls jahrtausendealten asiatischen Denktraditionen (östliche Philosophie) werden oftmals übersehen oder unterschätzt. Auch religiöse Weltanschauungen gehören zur Philosophie, insoweit ihre Vertreter nicht theologisch, sondern philosophisch argumentieren.
Das Selbstverständnis der Philosophie als Wissenschaft hat sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder gewandelt. Die ersten griechischen Philosophen bis etwa zur Zeit von Sokrates und Platon verstanden ihre Tätigkeit als vernunftgelenktes Erkenntnisstreben im Unterschied zum bloßen Übernehmen eines mythischen Weltbilds und religiöser Traditionen. Einerseits emanzipierte sich so das Denken vom Mythos, andererseits wurden die Mythen in der Regel nicht grundsätzlich verworfen. Die Philosophen bedienten sich ihrer gern und nutzten dichterische Ausdrucksmittel, um ihre Lehren zu verbreiten.
Während Sokrates und seine Schüler das Erkenntnisstreben als Selbstzweck betrachteten, boten die Sophisten ihren Unterricht gegen Entgelt an. Für manche Sophisten ging es dabei vor allem um die Kunst, in einer Debatte mit rhetorischen Mitteln und logischen Kunstgriffen einen Gegner zu besiegen. Ihr Ziel war es, notfalls auch mit Tricks (Sophismen), „die schwächere Seite zur stärkeren zu machen“ (vgl. Eristik).
Nachdem sich das Christentum in der Spätantike durchgesetzt hatte, war Philosophie für viele Jahrhunderte nur noch auf der Basis des damaligen religiösen Weltbilds möglich; sie durfte nicht mit den Grundannahmen der christlichen Theologie in Konflikt geraten. Eine analoge Begrenzung bestand auch im Islam und im Judentum. In Westeuropa dominierte daher lange Zeit das Bild der Philosophie als einer „Magd der Theologie“ (ancilla theologiae), also einer Hilfswissenschaft, welche die göttlichen Offenbarungen mit rationalen Argumenten stützen sollte.
An den im Mittelalter neu entstehenden Universitäten wurde die Philosophie zu einem grundlegenden („propädeutischen“) Lehrfach. Der Kern des Studiums war durch die sogenannten Artes liberales bestimmt, zu denen „Grammatik“, „Dialektik“, „Rhetorik“ sowie „Geometrie“, „Arithmetik“, „Astronomie“ und „Musik“ gehörten. Ein erster Abschluss in diesem studium generale an der so genannten Artistenfakultät war notwendig, um die „höheren“ Studien in Medizin, Recht und Theologie aufnehmen zu können. (Aus dieser Tradition stammen noch heute die Bezeichnungen der akademischen Grade des B.A., M.A., Ph.D. bzw. Dr. phil.).
In Westeuropa führte im 13. Jahrhundert die verstärkte Auseinandersetzung mit der Philosophie des Aristoteles zu höherer Eigenständigkeit der Philosophie, welche die Grenzen der artes-Disziplinen überschritt. Zahlreiche Philosophen und Theologen wie Albert der Große und Thomas von Aquin versuchten, Anschluss an die Aristotelesrezeption des Ostens zu halten und die aristotelische Philosophie mit den Lehren der katholischen Kirche zu einer in sich geschlossenen Gesamtdeutung der Wirklichkeit zusammenzuführen. Eine solche Synthese legte etwa Thomas in der Summa theologica vor. Unabhängig davon kam es schon seit dem 12. Jahrhundert zu einer neuen Hochschätzung des Erfahrungswissens, die eine Voraussetzung für die Entstehung des neuzeitlichen naturwissenschaftlichen Denkens und der experimentellen Vorgehensweise bildete.
Seit der Renaissance überschritt die Philosophie zunehmend die Grenzen, welche die Theologie ihr gesetzt hatte. Die Philosophen scheuten sich nicht mehr, Ansichten zu vertreten, die mit kirchlichen Lehren oder sogar mit dem Christentum unvereinbar waren. Seit den Zeiten des Renaissance-Humanismus und der Aufklärung setzte sich die Philosophie bis in die Gegenwart hinein kritisch mit der Religion auseinander, grenzte sich von ihr ab und betrachtete sich ihr oft als überlegen. Es gab aber auch stets zahlreiche Philosophen, die großen Wert darauf legten, dass ihre Positionen mit ihren religiösen Überzeugungen in vollem Einklang stehen.
Vor allem in bestimmten Phasen der Neuzeit wurde die Philosophie als eine allen Einzelwissenschaften übergeordnete Universalwissenschaft begriffen, die, um die Wirklichkeit als Ganzes zu erfassen und zu den letzten Ursachen und Prinzipien vorzudringen, ewiggültige, allgemeine Wahrheiten aufdeckt und zugänglich macht (Philosophia perennis). Das heißt, die Chance, dass Philosophie untergeht, ist von allen Fächern wohl am geringsten. Wenn man nur Philosophie betreibt, braucht man sich auf nichts weiter spezialisieren, denn Philosophie ist dasjenige Fach, das alle Grundlagen benutzen kann (Heißler).[8]
Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb die Philosophie eine der klassischen vier Fakultäten. Weiterhin war eine grundlegende Ausbildung in Philosophie erforderlich, bevor sich die Studenten z. B. naturwissenschaftlichen Fragen und Forschungen zuwenden durften. An einigen traditionsbewussten Universitäten ist ein „Philosophicum“ im Grundstudium bis heute für alle Studenten Pflicht.
Im 19. Jahrhundert begann eine zunehmende Verselbstständigung zunächst der Naturwissenschaften und später auch der philologischen und der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Die philosophischen Lehrstühle gerieten in der Folge in ihrer inhaltlichen Ausrichtung zunehmend unter den Spezialisierungsdruck der sich verselbständigenden Fachwissenschaften. In der Moderne verblieb der Philosophie zeitweise nur die Aufgabe der Reflexion der Fachwissenschaften und die Diskussion über deren Voraussetzungen.
Die moderne Fachwissenschaft Philosophie zieht ihre Rechtfertigung aus dem Anspruch, philosophische Methoden könnten auch für andere Wissens- und Praxisgebiete hilfreich sein. Darüber hinaus betrachten die Philosophen die Erörterung ethischer Themen und Grundsatzfragen als ihr ureigenes Gebiet. Die Universitäten sind in ihrem Selbstverständnis gegenwärtig durch die Vermittlung der traditionellen philosophischen Disziplinen Logik, Ethik, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie und Philosophiegeschichte im Rahmen der Lehrerausbildung geprägt. So findet der Diskurs der Philosophie an den Universitäten häufig abgetrennt nicht nur von der Religion, sondern auch von den Sozialwissenschaften, von Literatur und Kunst weitgehend als theoretische Philosophie mit einer starken Betonung von Wissenschaftstheorie, Sprachanalyse und Logik statt. Dennoch gibt es auch in der „Fachwissenschaft Philosophie“ immer wieder Impulse, an öffentlichen Debatten der Gegenwart teilzunehmen und Stellung zu beziehen z. B. zu ethischen Fragen der Verwendung von Technik, zur Ökologie, zur Genetik, (seit der Antike auch) zu medizinischen Problemen[9] (Medizinphilosophie, Medizinethik) oder zu solchen der interkulturellen Philosophie.
Neben der universitären Philosophie gab es jedoch auch immer eigenständige Denker außerhalb der Institutionen. Seitdem die Aufklärer Voltaire, Rousseau und Diderot (als Impulsgeber der Enzyklopädie mit dem Ziel der Aufklärung durch Wissen) in Frankreich philosophes genannt wurden, verstand man darunter in der Tradition von Montaigne allgemein auch gelehrte Schriftsteller, die sich über populäre, also über Themen von allgemeinem öffentlichen Interesse äußerten – so auch Universalgelehrte wie Goethe und Schiller. Denkern des 18. und 19. Jahrhunderts wie Adam Smith, Abraham Lincoln, Jean Paul, Friedrich Nietzsche, Émile Zola, Lew Tolstoi, Karl Marx, Sigmund Freud oder Søren Kierkegaard war gemeinsam, dass sie allesamt nicht an eine Universität angebunden waren und keine akademische Schulphilosophie betrieben. Dennoch gingen von ihnen in der Öffentlichkeit viel beachtete philosophische Impulse aus und sie reflektierten die Philosophiegeschichte eigenständig – vergleichbar mit in der Gegenwart viel gelesenen Denkern wie Paul Watzlawick, Umberto Eco oder Peter Sloterdijk. Eine recht junge Entwicklung ist die Einrichtung von Philosophischen Praxen, die eine Alternative zu anderen gesellschaftlichen Beratungs- und Orientierungsmöglichkeiten anbieten wollen.
Im Mai 1988 kam es im Zuge der Perestroika zu einer Wiederbelebung der philosophischen und wissenschaftlichen Tradition. Es wurde eine Bibliothek mit etwa vierzig Bänden, darunter Werke von Denkern des neunzehnten Jahrhunderts, die in der Sowjetunion nicht mehr publiziert worden waren, und Texte von Intellektuellen, die das Land auf dem Philosophenschiff hatten verlassen müssen, zusammengestellt.[10]
Allgemein
Die heutige Philosophie gliedert sich in systematische Sachdisziplinen und die Philosophiegeschichte. Erstere lassen sich im Wesentlichen der theoretischen oder praktischen Richtung zuordnen (s. u.). Berührungspunkte zwischen systematischem Philosophieren und Philosophiegeschichte finden sich etwa in der Systematologie. Systematische Philosophie im strengen Sinne erhebt den Anspruch, „die Totalität der in irgend einem Zeitpunkt erreichten Erkenntnisse als ein Ganzes darzustellen, dessen Teile durchgängig in logischen Verhältnissen verknüpft sind“.[11]
Auch wenn sich der Bereich, den die Philosophie insgesamt umfasst, in gewissem Sinne nicht eingrenzen lässt (da sie „alles“ behandelt), gibt es doch bestimmte Domänen, in denen sie hauptsächlich tätig ist. Der Philosoph Immanuel Kant hat diese in den folgenden Fragen zusammengefasst:[12]
- Was kann ich wissen?
- Was soll ich tun?
- Was darf ich hoffen?
- Was ist der Mensch?
Etwas weniger allgemein gestellt können diese Fragen ungefähr so lauten:
- Wie können wir zu Erkenntnis gelangen und wie sind diese Erkenntnisse einzuschätzen? (Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Logik)
- Wie sollen wir handeln? (Ethik)
- Was ist die Welt? Warum gibt es überhaupt etwas und „nicht vielmehr nichts“?[13] Gibt es einen Gott oder was sollte man sich unter dem Begriff „Gott“ überhaupt vorstellen? Steuert die Geschichte auf ein Ziel zu und wenn ja auf welches? (Metaphysik, Religions- und Geschichtsphilosophie)
- Was sind wir für Wesen? In welchem Verhältnis stehen wir zu der Welt, die wir vorfinden? (Philosophische Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie, Philosophische Ästhetik)
Abgrenzung theoretische und praktische Philosophie
Die Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Philosophie geht auf Aristoteles zurück. Für ihn richtete sich die theoretische Philosophie auf zweckfreie Erkenntnis notwendiger Gründe, die praktische Philosophie dagegen auf das optionale, zweckgebundene praktische und politische Handeln des Menschen. Ab dem 17. Jahrhundert wurde diese Unterscheidung wieder aufgegriffen und – vor allem in der Schulphilosophie des Christian Wolff – terminologisch fixiert. Vor dem Hintergrund der Forderung nach Wissenschaftlichkeit verkehrte sich jedoch der Sinn dieser Unterscheidung: Theoretische und praktische Philosophie sollten beide gleichermaßen wissenschaftlich werden.
Nach einer vielfach aufgenommenen Unterscheidung Immanuel Kants handelt die praktische Philosophie von dem, was sein soll, während die theoretische Philosophie sich mit dem beschäftigt, was ist. Einige interdisziplinäre Gebiete der Philosophie der Gegenwart widersetzen sich teilweise dieser Zweiteilung, siehe etwa die Kritik von Jürgen Habermas an Edmund Husserl und die Kontroverse der Werturteilsfreiheit.[14]
Klassischerweise werden der theoretischen Philosophie Logik, Metaphysik und Ontologie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, aber auch mathematische und Naturphilosophie zugerechnet. Vor allem die ersten drei beanspruchen Priorität als oberste philosophische Grundlagendisziplin. Zur praktischen Philosophie werden Ethik, Rechtsphilosophie, politische Philosophie, Handlungstheorie, Wirtschaftsphilosophie und Sozialphilosophie gezählt.
Theoretische Philosophie
Logik
Die Logik beschäftigt sich nicht mit konkreten Inhalten, sondern mit den Gesetzmäßigkeiten der Folgerichtigkeit. Sie fragt, auf Grundlage welcher Regeln aus bestimmten Voraussetzungen („Prämissen“) bestimmte Schlussfolgerungen („Konklusionen“) gezogen oder nicht gezogen werden können (vgl. Fehlschlüsse). Insofern thematisiert sie die Grundlage aller auf Argumenten basierenden Arten von Wissenschaft.
In früheren Zeiten wurde der Ausdruck „Logik“ in weiterer Bedeutung verwendet als heute. Typisch ist das Beispiel der Logik der Stoa. Diese umfasste auch den Bereich, der heute Erkenntnistheorie genannt wird, sprachphilosophische Probleme sowie die Rhetorik. Ganz ähnlich gilt dies noch für viele Logikbücher bis ins frühe 20. Jahrhundert.
In der modernen Philosophie bezeichnet Logik als Wissenschaft des korrekten Folgerns nur noch die formale Logik. Diese überschneidet sich mit Gebieten aus Mathematik und Informatik. Die Logizisten meinen sogar, die gesamte Mathematik sei, abgesehen von Axiomfindung, nur logisches Ableiten bzw. Folgern. Inwieweit sich Logik auch auf andere Gebiete ausdehnt (z. B. Argumentationstheorie, Sprechakttheorie) ist hingegen umstritten.
Zu den wichtigsten Logikern der Philosophiegeschichte zählen Aristoteles, Chrysipp, Johannes Buridanus, Gottlob Frege, Charles Sanders Peirce, Bertrand Russell mit Alfred N. Whitehead, Kurt Gödel und Alfred Tarski.
Erkenntnistheorie
Die Erkenntnistheorie fragt nach der Möglichkeit, Wissen zu erlangen und zu sichern. Umfang des Wissens, Natur des Wissens, Arten des Wissens, Quellen des Wissens und Struktur des Wissens werden untersucht, ebenso die Problematik der Wahrheit oder Falschheit von Theorien. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit stellt sie genauso auf den Prüfstand, wie den Einfluss von Sprache und Denken auf den Erkenntnisvorgang. Außerdem versucht sie, die Grenzen der Erkenntnis abzustecken und zu definieren, was prinzipiell als „wissenschaftlich“ bezeichnet werden kann. Diese Erkenntniskritik stellt seit Immanuel Kant für viele Philosophen den fundamentalen Kern der Erkenntnistheorie dar.
Wichtige Erkenntnistheoretiker waren u. a. Platon, Aristoteles, René Descartes, John Locke, David Hume, Immanuel Kant, Auguste Comte, Edmund Husserl und Ludwig Wittgenstein.
Wissenschaftstheorie
Die Wissenschaftstheorie ist eng verbunden mit der Erkenntnistheorie und analysiert bzw. postuliert die Voraussetzungen, Methoden und Ziele von Wissenschaft. Sie legt vor allem die Kriterien für die Begriffe „Wissenschaft“ und „wissenschaftlich“ fest und versucht sie damit von Para- und Pseudowissenschaften abzugrenzen. Dazu haben sich heute mehrere grundlegende, nicht durch die Einzelwissenschaften selbst zu rechtfertigende methodische Vorgaben, herausgebildet. Beispielsweise die Notwendigkeit der Wiederholbarkeit von Experimenten, das Ökonomieprinzip („Ockhams Rasiermesser“) und das Prinzip der Falsifizierbarkeit als Voraussetzung für sinnvolle wissenschaftliche Aussagen sind so Bestandteile dieser Wissenschaftsmodelle.
Weiterhin beschäftigt sich die Wissenschaftstheorie mit dem Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Konzepten von Wahrheit bzw. Wirklichkeit. Auch die mögliche Einteilung und Ordnung des menschlichen Wissens in Gebiete und ihre Hierarchisierung, sowie die Untersuchungen der Prinzipien des wissenschaftlichen Fortschreitens (vgl. Paradigmenwechsel) gehören zu ihrem Aufgabenbereich.
Wichtige Vertreter der Wissenschaftstheorie sind z. B. Aristoteles, Francis Bacon, Rudolf Carnap, Karl Popper, Thomas Kuhn, Paul Feyerabend und Hilary Putnam.
Metaphysik und Ontologie
Die Metaphysik bildet fast seit jeher den Kern der Philosophie. Sie versucht die gesamte Wirklichkeit, wie sie uns erscheint, in einen sinnvollen Zusammenhang – oft auch in ein universelles System – zu bringen. Sie untersucht die Fundamente und allgemeinen Strukturen der Welt. Des Weiteren stellt sie die „letzten Fragen“ nach dem Sinn und Zweck allen Seins.
Traditionell wird die Metaphysik in einen generellen und einen speziellen Zweig geteilt. Die generelle Metaphysik ist die Ontologie, welche in der Tradition des Aristoteles die Frage nach den Grundstrukturen alles Seienden und dem Sein stellt. Ihr Gegenstandsbereich ist uneingeschränkt. Philosophiegeschichtlich ist die Metaphysik vor allem durch drei Grundfragen geprägt:
- Gibt es Arten von Dingen, die für die Existenz anderer Arten grundlegend sind? (Aristoteles’ „Kategorien“)
- Gibt es eine erste/letzte Ursache, von deren Existenz die Existenz von allem anderen abhängt? (Aristoteles)
- Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? (nach Gottfried Wilhelm Leibniz,[15] von Martin Heidegger zur Grundfrage erklärt[16])
Die spezielle Metaphysik teilt sich in drei Disziplinen auf, die folgende Fragen stellen:
- nach der Existenz Gottes und seinen möglichen Eigenschaften (rationale bzw. natürliche Theologie);
- nach der Möglichkeit einer unsterblichen Seele und eines freien Willens, sowie nach Unterschieden zwischen Geist und Materie (rationale Psychologie);
- nach der Ursache, Verfasstheit und dem Zweck des Universums (rationale Kosmologie);
Diese Fragen können und wollen die Naturwissenschaften mit ihrem Instrumentarium aus prinzipiellen Gründen nicht mehr behandeln, da die Gegenstände der Metaphysik prinzipiell jeder (sinnlichen) menschlichen Erfahrungsmöglichkeit entzogen sind. Wird die Existenz empirisch nicht untersuchbarer Bereiche der Wirklichkeit bestritten oder für nicht relevant erklärt, so erübrigen sich die Fragen der Metaphysik. Die traditionelle Metaphysik wurde auf zwei verschiedene Weisen kritisiert. Während der Positivismus und Vertreter analytischer Philosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tendenziell auf eine Abschaffung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache drängten, versuchte beispielsweise Martin Heidegger, in einer Überwindung der Metaphysikgeschichte und in einer radikalen Wende der Fragestellung auf die Analyse des menschlichen Daseins einen Neuansatz für eine alternative Metaphysik zu schaffen (Fundamentalontologie, Existenzphilosophie). Mittlerweile finden traditionelle metaphysische, insbesondere ontologische Fragen und Probleme wieder breitere Beachtung in der philosophischen Diskussion – auch in viel debattierten Disziplinen wie der Philosophie des Geistes.
Wichtige Metaphysiker waren u. a. Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin, René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz sowie die Vertreter des Deutschen Idealismus und der Neuscholastik.
Sprachphilosophie
Die Sprachphilosophie untersucht die Beziehung zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit.[17] Die Analyse von Sprache, z. B. mittels der genauen Zerlegung von Begriffen, ist in der Philosophie von jeher betrieben worden. Von Anfang an war damit die überragende Bedeutung der Sprache für kommunikative Prozesse, Wahrheitsfindung, Erkenntnismöglichkeiten und die Beschreibung und Wahrnehmung der Welt ein zentrales Thema der Philosophie.
So wurde beispielsweise bereits in der Antike die Frage erörtert, ob einem Ding eine bestimmte Bezeichnung „von Natur aus“ oder nur durch willkürliche Festlegung durch den Menschen zukomme. Auch das sich hieran anschließende wichtige Thema der mittelalterlichen Philosophie – der Universalienstreit – kann teilweise als ein Problem dieses Bereichs begriffen werden.
Die moderne Sprachphilosophie, welche im 20. Jahrhundert die so genannte „Linguistische Wende“ (linguistic turn) auslöste, befasst sich u. a. mit der Abhängigkeit der Wirklichkeitserfassung von den individuellen sprachlichen Möglichkeiten (vgl. Sapir-Whorf-Hypothese), mit der Herstellung von Wahrheit, Erkenntnis und Wissen durch Kommunikation (vgl. Sprachspiel), wie man mit Hilfe sprachlicher Äußerungen Handlungen vollzieht (John Langshaw Austin: „How to do things with words“, vgl. Pragmatik), dem verzerrenden Einfluss der Sprache auf die Realität (z. B. in der feministischen Linguistik) sowie mit der Frage, was „Bedeutung“ ist.
Zu den wichtigsten Sprachphilosophen zählen Gottlob Frege, Charles S. Peirce, George Edward Moore, Bertrand Russell, W.v.O. Quine, Saul Kripke und Ludwig Wittgenstein. Wichtige Beiträge haben auch die Schüler Ferdinand de Saussures (Strukturalismus), Martin Heidegger (Etymologie und Neologismen), Michel Foucault (Diskursanalyse) und Jacques Derrida (Poststrukturalismus) geliefert.
Praktische Philosophie
Praktische Philosophie bezeichnet gemäß der aristotelischen Tradition denjenigen Teilbereich der Philosophie, der sich aus den Disziplinen Ethik, Rechtsphilosophie, Staatsphilosophie, Politische Philosophie und den Grundlagen der Ökonomie (siehe auch Wirtschaftsphilosophie) zusammensetzt. Praktische Philosophie ist auf die philosophische Erforschung der menschlichen Praxis gerichtet.
Aristoteles hatte der theoretischen Philosophie, die sich auf zweckfreie Erkenntnis notwendiger Gründe richtet, die praktische Philosophie (Ethik, Ökonomie und Politik) gegenübergestellt, die sich auf das zweckgebundene praktische und politische Handeln des Menschen im Bereich dessen bezieht, was sich auch anders verhalten kann. Vor dem Hintergrund der Forderung nach Wissenschaftlichkeit relativierte sich jedoch der Sinn dieser Unterscheidung: Theoretische und praktische Philosophie sollten beide gleichermaßen wissenschaftlich werden. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen sich die einzelnen Teildisziplinen der praktischen Philosophie zu spezialisieren und allmählich als Einzeldisziplinen herauszubilden.
Ethik und Metaethik
Die philosophische Ethik befasst sich mit Antworten auf die Kantsche Frage „Was sollen wir tun?“. Sie erstellt Kriterien für die Beurteilung von Handlungen und bewertet diese hinsichtlich ihrer Motive und Konsequenzen. Dabei unterscheidet sie sich von der Moral, die bestimmte Handlungen traditionell oder konventionell vorschreibt, obgleich das Ziel der normativen Ethik in der Begründung von allgemeingültigen Normen und Werten gesehen werden kann.
Dieses Ziel gilt vielen Philosophen als gescheitert, da es gemäß der deontischen Logik als auch aufgrund von Humes Gesetz unmöglich ist, Normen aus nichtnormativen Sätzen zu deduzieren, d. h. bestimmte Werte, Normen oder Präferenzen müssen immer schon vorausgesetzt werden, damit weitere Normen abgeleitet werden können. Rationale Ethik bestünde daher nur in der Prüfung, ob bestimmte Normen mit übergeordneten Zielen logisch vereinbar sind oder nicht. Bei einer voraussetzungslosen Philosophie hingegen wären ethische Maßstäbe für grundsätzliche Zweckorientierungen logisch nicht zu gewinnen.
Andere Philosophen versuchen trotzdem, in verschiedenen, einander widersprechenden Konzepten, eine absolute Begründung von Normen zu finden. Am bekanntesten in Deutschland ist die transzendentalpragmatische, absolute Normenbegründung der Diskursethik nach Apel, der zufolge jeder Zweifler bereits Teilnehmer an einem Diskurs ist und daher ethische Diskursregeln anerkannt habe.
Praktische Philosophen versuchen auch oft, eine oberste Regel oder ein allgemeines Kriterium für moralisches Handeln zu finden. Dabei ist die Goldene Regel wenig populär, da sie gleiche Wünsche aller Beteiligten voraussetzt. Dem Utilitarismus zufolge ist das oberste Moralprinzip, das größte Glück der größten Zahl anzustreben. Verbreitet ist auch Kants kategorischer Imperativ:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“
Die deskriptive Ethik hingegen beschäftigt sich mit den verschiedenen vorhandenen Moralvorstellungen und versucht diese genau zu fassen und zu beschreiben, sie ist eher Teil der empirischen Humanwissenschaften als der Philosophie.
Basis der allgemeinen Ethik ist die Metaethik, die das Sprechen über Ethik und ethische Begriffe („gut“, „böse“, „Handlung“) sowie normenlogische Folgerungen analysiert.
Die Ethik gehört zu den wenigen Disziplinen der Philosophie, die bisher nur in geringem Maße von (anderen) Wissenschaften in Frage gestellt wurden. Dies ist nämlich logisch kaum möglich, da empirische Wissenschaften nur Fakten beschreiben und Mittel zur Erreichung von Zwecken entwickeln und verbessern, aber nicht sagen können, welche Zwecke jemand überhaupt verfolgen soll.
Die Infragestellung aller ethischen Werte durch Amoralismus und Relativismus steht im Kontrast zur gesellschaftlichen Nachfrage nach Bereichsethiken wie der Medizin-, Tier- oder Wissenschaftsethik bis hin zur Hacker- und Informationsethik, aber auch der Schaffung von Institutionen wie dem Nationalen Ethikrat.
Einflussreiche Ethiker sind unter anderem Aristoteles, die Stoiker und Epikureer, Thomas von Aquin, Immanuel Kant, Jeremy Bentham und John Stuart Mill, Max Scheler, Hans Jonas und Karl-Otto Apel.
Rechtsphilosophie
Eine direkte Anwendung der Ethik findet sich in der Rechtsphilosophie, die zugleich eine der Grundlagendisziplinen der Rechtswissenschaften darstellt. Basierend auf der Beurteilung von Handlungen in „gut“ und „schlecht“ wird die Frage nach Recht und Gerechtigkeit und der Folge der Verletzung von moralischen und ethischen Normen gestellt. Natürlich fragt die Rechtsphilosophie auch nach der Entstehung, Einsetzung und Legitimation des Rechts, dem Verhältnis von „natürlichem Recht“ (vgl. Menschenrechte) und „gesetztem Recht“ („positives Recht“), nach der Reihenfolge der Wichtigkeit von Rechtsnormen und ihrer Außerkraftsetzung. Hier gibt es Überschneidungen mit der politischen Philosophie.
Bekannte Rechtsphilosophen sind Hugo Grotius, Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, Hans Kelsen, Gustav Radbruch, H.L.A. Hart, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas, John Rawls, Ronald Dworkin und Robert Alexy.
Politische Philosophie
Die politische Philosophie ist ähnlich wie die Rechtsphilosophie in großen Teilen von den benachbarten Wissenschaften vereinnahmt worden. So finden große Teile der philosophischen Diskussion in den Rechts- bzw. Politikwissenschaften statt. Die Entstehung, Rechtmäßigkeit und Verfasstheit eines Staates wird von der Staatstheorie untersucht. Die politische Theorie fragt nach der besten Herrschaftsform, dem Verhältnis zwischen Bürger und Staat, nach Machtverteilung, Gesetz, Eigentum, Sicherheit und Freiheit.
Wichtige Beiträge hierzu haben u. a. die politischen Denker Platon, Aristoteles, Augustinus, Marsilius von Padua, Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Karl Marx, Michail Bakunin, Carl Schmitt, Hannah Arendt, Karl Popper und Michel Foucault geliefert.
Neuere Disziplinen
Philosophie des Geistes und des Bewusstseins
Obgleich sie sehr alte Fragestellungen behandeln, ist die Philosophie des Geistes bzw. die Philosophie des Bewusstseins noch eine junge, interdisziplinär angelegte Disziplin, die an die Kognitions- und Neurowissenschaften angrenzt. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach dem Wesen von Geist bzw. Bewusstsein, nach dem Verhältnis von Leib und Seele, Materie und Geist. Aber auch die Möglichkeit eines freien Willens, sowie das Wesen mentaler Zustände, von Bewusstseinsinhalten und Emotionen (Qualia) wird hier untersucht. Weiterhin befasst sich dieses Gebiet mit der Beurteilung verschiedener Bewusstseinszustände, Überlegungen zu künstlicher Intelligenz, mit der Identität des Selbst und mit dem Problem eines möglichen Weiterlebens nach dem physischen Tod. Untersuchungsebenen sind die ontologische, die epistemologische, die semantische und die methodologische.[18]
Bekannte Vertreter dieser Problemfelder sind Gottfried Wilhelm Leibniz, Baruch de Spinoza, Alan Turing, Hilary Putnam, John Searle, Jaegwon Kim und Donald Davidson. Von großer philosophischer Bedeutung sind hier auch im Kontext des Buddhismus ausgearbeitete Theorien.
Moderne philosophische Anthropologie
Die moderne philosophische Anthropologie befasst sich mit dem Wesen des Menschen, und zwar vornehmlich nicht als Individuum, sondern als Gattungswesen. Da sie von Menschen selbst betrieben wird, ist sie eine (dialektische) Selbstreflexion, die gleichzeitig eine Innen- und eine Außenperspektive aufweist. Die Daseinssituation des Menschen wird unter Einbeziehung aller wichtigen einzelwissenschaftlichen Erkenntnisse untersucht.
Das Wesen des Menschen gibt viele Rätsel auf. Seine Stellung im Kosmos, das Verhältnis von Kultur zu Natur, Vereinzelung und Vergemeinschaftung, die Probleme der Geschlechtlichkeit, die Rolle von Liebe und Tod sind einige der Grundfragen der philosophischen Anthropologie. Ob der Mensch von Natur aus gut oder böse sei, ob Gewalt und Leid zwingend zur menschlichen Existenz gehören, ob das Leben überhaupt einen Sinn hat: all dies sind weitere Probleme dieser Disziplin. Sie untersucht aber auch grundsätzliche menschliche Bedürfnisse und Fähigkeiten wie Selbstverwirklichung, Kreativität, Neugier und Wissensdurst, Machtstreben und Altruismus, das Phänomen der Freiheit und die Wahrnehmung des Anderen.
Wichtige Philosophen, die zu anthropologischen Problemen gearbeitet haben, sind Thomas von Aquin, Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Søren Kierkegaard, Max Scheler, Arnold Gehlen, Ernst Cassirer, Helmuth Plessner und die Vertreter der Existenzphilosophie.
Besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben einige Philosophen Theorien über allgemeine Wesenszüge des Menschen kritisiert, darunter beispielsweise (mit unterschiedlicher Akzentuierung) Michel Foucault oder Jürgen Habermas.
Rationalitäts-, Handlungs- und Spieltheorie
Zu den aktuellen Problemen der philosophischen Forschung gehört die Analyse des menschlichen Handelns unter dem Gesichtspunkt der Vernünftigkeit. Dabei werden weniger die ethischen Motive berücksichtigt, sondern vielmehr rein mathematische Kosten-Nutzen-Abwägungen oder das logische Kalkül unter der Voraussetzung, dass der Mensch gewöhnlich rational handelt.
Einige Philosophen verwenden die Spieltheorie, um Modelle für ethische Probleme zu entwickeln. Sowohl individuelle (z. B. das Gefangenendilemma), als auch gesellschaftliche Paradoxa (z. B. die Tragik der Allmende) lassen sich in diesem Rahmen, wenn schon nicht lösen, so doch verstehen. Die Handlungstheorie versucht, motivierte Handlungen zu erklären, so etwa, ob und wie es möglich ist, bei zwei alternativen Handlungen, frei und absichtlich die selbst für schlechter gehaltene zu wählen (Akrasia). Die Klärung des Begriffs „Rationalität“ ist, gerade wenn die Rationalität von Handlungen untersucht wird, ein in jüngerer Zeit umfänglich debattiertes Gebiet. In der Geschichte der Philosophie waren die Begriffe „Verstand“ und „Vernunft“, „ratio“ und „Intellekt“ oft strittig. An ihrer Bestimmung entschied sich oft, welche Konzeption von Philosophie vertreten wurde. In der Moderne ist „Rationalität“ in verschiedener Hinsicht zunehmend fragwürdig geworden, sodass die gegenwärtige Philosophie vor der Aufgabe steht, ihre eigene Minimalbestimmung kritisch zu hinterfragen.
Philosophische Mystik
Obwohl mystische Elemente in westlichen und östlichen philosophischen Traditionen oft präsent waren, ist der Begriff der „Philosophischen Mystik“ noch jung. Sie hält zum einen – ähnlich der Philosophia perennis – daran fest, dass es ewige, unveränderliche und universal gültige Wahrheiten bezüglich der Wirklichkeit und des Menschen zu erkennen gibt. Zum anderen betont sie, wie alle mystische Strömungen, den Vorrang des gegenwärtigen Hier-und-jetzt-Daseins, die Wichtigkeit der zweckfreien Kontemplation, die Würde der Schöpfung und die zentrale Bedeutung des Eingebettetseins der individuellen Existenz in das Ganze des Weltgefüges.
In ihrer Arbeitsweise überschreitet sie die Grenzen von Vernunft und Verstand und betont auch erfahrbare, aber dennoch intersubjektiv mitteilbare und philosophisch behandelbare Gewissheiten. Zentrale Themen der philosophischen Mystik sind u. a. die Erfahrung der Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung, der Zusammenfall aller Gegensätze in Gott (coincidentia oppositorum), die mögliche Einheit des Menschen mit dem All-Ganzen (unio mystica) und die Spur des Göttlichen im menschlichen Wesen (scintilla animae).
Einige westliche Philosophen, in deren Lehren sich mystische Elemente finden, sind Plotin, Meister Eckhart, Nikolaus von Kues, Jakob Böhme, Gottfried Wilhelm Leibniz, Blaise Pascal, Baruch de Spinoza, Martin Heidegger, Simone Weil und Ken Wilber. In der außereuropäischen, besonders der östlichen Philosophie, spielt die Mystik traditionell eine große Rolle. Typischerweise überwindet sie nicht nur die Grenzen der Philosophie, sondern auch die der Religion, so etwa im Zen, im Yoga, im Sufismus, in der Kabbala und in der christlichen Mystik.